Psyche: Nerven und Psyche

Fühlen, Wahrnehmen, Denken oder Träumen: Das sind Leistungen, die im Gehirn gesteuert werden. Ist das zentrale Nervensystem erkrankt – das Gehirn gehört dazu –, kann es zu psychischen Störungen kommen. Auch sie brauchen eine gezielte Therapie.

Sogar Menschen, die sich selbst für »seelisch robust« halten, sind vor ihnen nicht gefeit: Depressionen, Panikgefühle und Halluzinationen können im Zuge einer neurologischen Erkrankung auftreten. Sie lassen sich weder tapfer übergehen noch mit Durchhaltevermögen bewältigen. Mediziner sprechen von Komorbidität, wenn eine zusätzliche Erkrankung auftritt, die mit der Grunderkrankung zusammenhängen kann. Ist das der Fall, dann liegen zwei verschiedene Krankheitsbilder vor – ein neurologisches und ein psychisches – und beide verdienen die Aufmerksamkeit des Patienten und des behandelnden Arztes; der Forschung zufolge jedenfalls mehr, als es tatsächlich der Fall ist.

Depressionen und Ängste

Denn Menschen mit einer »Neurodiagnose« leiden deutlich häufiger unter psychischen Störungen als der Bevölkerungsdurchschnitt. Das hat eine Studie ergeben, an der drei deutsche Universitäten beteiligt waren und die 2009 in der Zeitschrift für Neuropsychologie veröffentlich wurde. Die forschenden Ärzte benennen darin Depressionen und Angststörungen als die häufigsten Beschwerden, die bei Patienten mit Multipler Sklerose, Epilepsie oder nach Schlaganfall auftreten. Besonders auffällig: Unter Depressionen leidet jeder zweite Patient mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer Demenz und Parkinson, jeder zweite MS-Patient ist von Angststörungen betroffen. Diese Zahlen sind überraschend hoch, selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass oft auch neurologische Medikamente Nebenwirkungen auf die Psyche mit sich bringen.

Verstärkung der Symptome

Die Studie zeigt aber noch mehr, nämlich die Folgen dieser psychischen Beschwerden:

  • Betroffene Menschen stufen ihre Lebensqualität als deutlich geringer ein als neurologisch Erkrankte ohne psychische Beschwerden.
  • Wie ein Patient die eigene Lebensqualität empfindet und seine neurologische Erkrankung bewältigt, hängt mehr von seiner psychischen Verfassung ab als von körperlichen Beschwerden wie Lähmungen, Muskelschwäche oder Schmerz.
  • Psychische Beschwerden können die körperlichen Symptome verstärken und den Verlauf einer neurologischen Erkrankung beschleunigen.

Eine gezielte Therapie von Depressionen, Panikattacken oder emotionalen Störungen ist vor allem deshalb wichtig, weil es die Symptome der Grunderkrankung verstärken kann, wenn die Psyche leidet. Möglicherweise müssen dann speziellere Medikamente zur Behandlung eingesetzt werden, die wiederum mehr Nebenwirkungen auch auf die Psyche zur Folge haben.

Lösungen finden

Um dieser drohenden Abwärtsspirale zu entkommen, ist der rettende Schritt ein Gespräch mit dem Facharzt oder Psychotherapeuten. Für viele neurologisch erkrankte Menschen ist es der genannten Studie zufolge immer noch alles andere als selbstverständlich, auch ihre seelische Befindlichkeit mit dem Neurologen ausführlich zu besprechen. Dabei helfen nach sorgfältiger Diagnose ergänzende Therapien, in einigen Fällen auch Medikamente, um die psychischen Begleitsymptome bei MS, Parkinson, Epilepsie, Demenz oder chronischen Schmerzen besser zu kontrollieren oder abzumildern.

Erste Orientierung im Umgang mit psychischen Störungen bietet auch die Hotline der Selbsthilfe-Beratung zu psychischen Erkrankungen, SeeleFon: 0180/5950951.