Polyneuropathien: Detektivarbeit Diagnose

Je seltener eine Erkrankung vorkommt, desto schwieriger ist es oftmals, ihr auf die Spur zu kommen und den Betroffenen mit einer erfolgreichen Therapie zu helfen.

Rückblickend hatte er wohl schon mit 25 Jahren die ersten Symptome, als er beim Fußballspielen Schmerzen in den Füßen verspürte. Damals hätte I. Gösen, Neurologie-Patient aus Bochum, aber nie gedacht, dass er eines Tages fast im Rollstuhl sitzen würde. Schmerzende Füße hat doch jeder mal, aber die Krämpfe, die ich vor drei Jahren nach einem Spaziergang bekam und die auch nicht mehr weggingen, waren unerträglich, so der heute 38-Jährige. Als dann noch Schmerzen und Taubheit im Arm dazukamen, durchlief er eine Reihe von Untersuchungen, leider ohne Erfolg. Ausgeschlossen wurden unter anderem Multiple Sklerose und ein Bandscheibenvorfall und auch eine Karpaltunnel-Operation brachte keine Besserung. Schmerz, Taubheitsgefühle und Kraftlosigkeit in den Beinen und im linken Arm nahmen zu. Ich konnte mich kaum noch bewegen, bis ich eines Nachts meine Gliedmaßen gar nicht mehr gespürt habe und per Notarzt ins Bochumer St. Josef Hospital gebracht wurde. Dort diagnostizierte das Ärzteteam um PD Dr. med. Min-Suk Yoon eine seltene entzündliche Polyneuropathie – das Lewis-Sumner-Syndrom – das zu Muskelschwächen in Armen und Beinen führt.

Langzeitschäden vermeiden

Die Diagnose einer solchen Erkrankung gleicht ein wenig der Arbeit eines Detektives, so Dr. Yoon. Mittels Blut- und Nervenwasseruntersuchungen sowie einer Messung der Nervenleitgeschwindigkeit müssen Erkrankungen des peripheren Nervensystems näher eingegrenzt werden. Die zeitnahe Diagnose spiele vor allem bei dem akuten Guillain-Barré-Syndrom eine große Rolle, da dies etwa wegen einer möglichen Lähmung der Atemmuskulatur oder Herz-Rhythmus-Störungen lebensbedrohlich verlaufen kann. Bei den chronischen Formen geht es hauptsächlich darum, Langzeitfolgen durch irreparable Nervenschädigungen und Muskelschwund zu vermeiden und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, weiß Dr. Yoon. Aus diesem Grund möchte er auch für die selteneren neurologischen Krankheiten sensibilisieren: Viele kennen Polyneuropathien wenn überhaupt nur als Folgeerscheinung einer diabetischen Erkrankung oder von Alkoholmissbrauch.

Frühe Therapie ermöglichen

Zwar sind diese Ursachen für eine Polyneuropathie tatsächlich häufiger, liegen sie aber nicht vor, sollte man bei Muskelschwächen, Taubheitsgefühlen und Sensibilitätsstörungen in den Extremitäten immer zeitnah einen neurologischen Fachmann aufsuchen. Das gelte insbesondere bei asymmetrischem Beginn der Symptome, beispielsweise im rechten Arm und linken Bein, bei rascher Verschlechterung der Beschwerden sowie auch dann, wenn diese gleich wieder verschwinden und erst nach einiger Zeit wieder auftauchen. Viele denken, dass leichte sensible Störungen normal sind und schon wieder weggehen, gibt Dr. Yoon zu bedenken. Doch je eher eine Diagnose gestellt wird, desto früher kann die Erkrankung effektiv behandelt werden. So wie bei I. Gösen: Inzwischen werde ich seit knapp anderthalb Jahren mit Immunglobulinen therapiert. Mit geht es so weit gut. Auch wenn die geschädigten Muskeln in meinen Beinen und in meinem Arm sich nicht wieder regeneriert haben, schreitet die Krankheit nicht weiter voran und ich habe insgesamt wieder mehr Kraft für den Alltag.