Multiple Sklerose: Wohlbehalten durch die Schwangerschaft

Auch wenn im Grunde nichts gegen ein Baby spricht: Viele Frauen mit Multipler Sklerose sind unsicher, ob sich die Erkrankung und eine Schwangerschaft vereinbaren lassen.

MS ist nicht vererbbar und wirkt sich bisherigen Erkenntnissen zufolge nicht signifikant auf die Fruchtbarkeit von Männern oder Frauen aus. Sind diese Ängste den betroffenen Frauen genommen, steht einer Schwangerschaft grundsätzlich erst mal nichts im Wege, weiß PD Dr. Kerstin Hellwig vom Multiple Sklerose und Kinderwunschregister in Bochum. Häufige bleibe jedoch die Frage, ob und wie sich die jeweilige Therapie mit Schwangerschaft und Stillzeit vereinbaren lässt.

Die Behandlung muss sorgfältig geplant und mit dem behandelnden Neurologen je nach Medikament abgesprochen werden. Der Wirkstoff Mitoxantron zum Beispiel sollte etwa sechs Monate vor der Schwangerschaft abgesetzt werden, da er das Erbmaterial verändern kann, sagt Hellwig. Die meisten anderen Medikamente sollten entweder schon bei Kinderwunsch oder aber spätestens mit der Feststellung der Schwangerschaft abgesetzt werden. Genaue Aussagen seien immer schwierig, da die Daten von etwa 1.000 Schwangerschaften ausgewertet werden müssten, um die Sicherheit einer Therapie annährend beurteilen zu können.

Nutzen-Risiko-Abwägung

Lediglich Interferone und die Wirkstoffe Natalizumab und Glatirameracetat können nach individueller Absprache mit dem Neurologen und einer Nutzen-Risiko-Abwägung auch in der Schwangerschaft weiter gegeben werden. Für Interferone und Glatirameracetat konnten wir mit unserem Register und einer entsprechend großen Gruppe an Frauen zeigen, dass die Einnahme der Medikamente bis zum Eintritt der Schwangerschaft oder auch in der Frühschwangerschaft keinen schädlichen Einfluss hat, sagt Hellwig. Darüber hinaus und für alle anderen Medikamente gebe es bislang zu wenige Daten, weshalb MS-Patientinnen mit Kinderwunsch oder während der Schwangerschaft dazu eingeladen seien, sich beim MS und Kinderwunschregister zu melden (siehe Kasten).

Nach der Schwangerschaft muss dann erneut über die Therapie nachgedacht werden. Diese Entscheidung sei davon abhängig, ob die junge Mutter ihr Kind stillen wolle, sagt Hellwig. Viele Medikamente sind auch noch in der Stillzeit kontraindiziert. Eine Rolle spielen aber auch eventuelle Beschwerden: Bei einem akuten Schub können sowohl in der Schwangerschaft als auch in der Stillzeit gegebenenfalls hochdosierte Kortikosteroide verabreicht werden.

Physiotherapie kann helfen

Auch zu Möglichkeiten der symptomatischen MS-Therapie in der Schwangerschaft gibt es noch nicht viele wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse. Diese Lücke möchten wir mit einem neuen Projekt schließen, sagt Dr. Hellwig. Ziel sei es letztlich, jeder schwangeren Frau eine möglichst beschwerdefreie Zeit zu ermöglichen. Es spricht auch während der Schwangerschaft nichts gegen nicht-medikamentöse Maßnahmen, wie Logopädie, Physio- oder Ergotherapie. Durch Krankengymnastik und Co. lassen sich nicht nur akute Beschwerden lindern, sie sind möglicherweise auch eine gute Vorbereitung, um die körperlichen Herausforderungen einer Geburt zu meistern. ag