Multiple Sklerose: Wunsch nach mehr Therapiefreiheit

Nicht wenige Menschen mit Multiple Sklerose leiden offenbar stärker unter der Therapie als unter der Krankheit selbst. Über die Gründe und was dagegen helfen könnte, sprachen wir mit Professor Dr. Peter Rieckmann, Chefarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Bamberg.

Herr Professor Rieckmann, welchem Grundgedanken folgt die MS-Therapie heute?

Bei der Behandlung der Multiplen Sklerose ist die verlaufsmodifizierende Therapie üblich. Diese hat zum Ziel, die Anzahl der Schübe zu verringern und das Fortschreiten der Krankheit hinauszuzögern. Um diese Ziele zu erreichen, muss der Patient den mit seinem Arzt vereinbarten Behandlungsplan konsequent einhalten. Je nach Therapieform heißt es dann, täglich Tabletten einzunehmen oder sich den Wirkstoff regelmäßig zu spritzen.

Wie konsequent halten Patienten die Therapie denn ein?

Selbst in Studien mit bewährten oralen MS-Medikamenten halten sich bis zu 30 Prozent der teilnehmenden Patienten nicht an den vorgegebenen Therapieplan. Im Alltag verzeichnen wir sogar Abbruchraten von bis zu 50 Prozent innerhalb der ersten sechs bis zwölf Monate nach Beginn der Therapie.

Warum fällt es manchen so schwer, sich an den Behandlungsplan zu halten?

Manche Injektionstherapeutika müssen gekühlt werden, was die be-troffene Person in ihrer Mobilität einschränkt. Andere Patienten haben Probleme mit dem Spritzen. Und Medikamente, die als Infusion verabreicht werden, erfordern regelmäßige, oft zeitaufwendige Arzttermine. Auch das schränkt die Lebensqualität ein. Hinzu kommen Nebenwirkungen, weswegen viele mit ihrer Therapie unzufrieden sind.

Wie sieht es bei den oralen Medikamenten aus?

Einige Patienten empfinden die ein- bis zweimalige Tabletteneinnahme am Tag als Belastung, weil sie dadurch immer wieder an ihre Krankheit erinnert werden. Medikamente, die seltener eingenommen werden müssen und länger wirken, wären daher wünschenswert.

Sind denn solche Therapien in Sicht?

Die Forschung hat in den vergangenen Jahren gezeigt, wo neue Medikamente im Immunsystem ansetzen könnten, um die Schubrate zu verringern oder die Behinderungsprogression zu verzögern. Es wurden mehrere vielversprechende Substanzen untersucht, die auf verschiedene Zellen des Immunsystems wirken und einige von ihnen – auch mit niedrigem Einnahmeschema – sind so weit in der Entwicklung, dass sie noch in diesem Jahr zugelassen werden könnten. ak

Prof. Dr. Peter Rieckmann
Chefarzt der Neurologischen Klinik am Klinikum Bamberg