Parkinson: Tiefe Hirnstimulation
Hoffnung für viele Patienten

Die Frage, ob ein »Hirnschrittmacher« Besserung bringt, stellen sich viele Betroffene im Verlauf ihrer Parkinson-Erkrankung. Die einen setzen ihre Hoffnung darauf, andere reagieren mit Angst vor dem chirurgischen Eingriff. Wann und für wen ist die tiefe Hirnstimulation das Mittel der Wahl, welche Risiken birgt sie – und welche Chancen?

Das Parkinson-Syndrom ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Auch wenn die Ursachen noch nicht geklärt sind: Die Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie werden immer vielfältiger. Zunächst gibt es typische Kennzeichen, die beim Erkennen der Erkrankung entscheidend sind: verminderte Beweglichkeit, Muskelsteifigkeit, Zittern in Ruhe und Gleichgewichtsstörungen. Daneben können Begleitsymptome auftreten, zum Beispiel Schmerzen, gestörte Blasen- und Darmfunktion, verminderte geistige Leistungsfähigkeit, Depressionen und ein Nachlassen des Geruchssinns.

Ausgelöst wird Parkinson durch eine Erkrankung der Nervenzellen im Gehirn, die mit Hilfe des Botenstoffes Dopamin Körperfunktionen steuern. Bei der Parkinson-Erkrankung schütten bestimmte Nervenzellen zu wenig Dopamin aus. So kommt es zu einem Mangel an Impulsen zwischen Nerven, der sich vor allem in langsameren Bewegungen bemerkbar macht.

Therapie mit Medikamenten

Auf eine Behandlung mit Medikamenten kann bei dieser chronischen, bisher unheilbaren Krankheit nicht verzichtet werden. Flankierend dazu sind therapeutische Maßnahmen wichtig, wie Krankengymnastik, Bewegungstherapie, Reha-Sport, Muskelaufbautraining. Die Behandlung sollte frühzeitig beginnen, effizient und gut verträglich sein. Ein frühzeitiger Therapiebeginn kann den Verlauf der Erkrankung offenbar günstig beeinflussen. Hierfür stehen zahlreiche Präparate zur Verfügung.

Levodopa – auch: L-Dopa – ist die Vorstufe von Dopamin und damit das wirksamste Medikament für die Behandlung des Parkinson-Syndroms. Durch die Einführung der L-Dopa-Therapie ist die Lebenserwartung von Parkinson-Patienten deutlich gestiegen. Denn viele gesundheitliche Probleme, die die Erkrankung mit sich bringt, können so vermieden werden. Allerdings vermag es L-Dopa nach heutigem Kenntnisstand nicht, den Krankheitsverlauf zu stoppen.

Komplikationen in der Standardtherapie

Häufig passiert es, dass die Wirkung von L-Dopa nachlässt, und zwar vier bis sechs Stunden nach der Einnahme. Wir nennen das auch den »Wearing-off«-Effekt oder »End-of-dose«-Effekt. Im weiteren Krankheitsverlauf können Schwankungen in der Beweglichkeit auftreten: Der Patient kann sich mal gut, dann aber wieder nur schlecht bewegen oder er erlebt plötzliche Geh-Blockaden. Ebenso kann es zu unwillkürlichen Bewegungen kommen.

Was hilft, ist in diesen Fällen, die Intervalle der Einnahme von L-Dopa zu verkürzen. Zusätzlich kann die Gabe eines Dopamin-nachahmenden Medikamentes Abhilfe schaffen. Diese sogenannten Dopamin-Agonisten wie Pramipexol, Ropinirol, Piribedil oder Rotigotin können in allen Stadien der Erkrankung eingesetzt werden. Für eine anfängliche Behandlung mit Dopamin-Agonisten spricht die zumindest in den ersten Jahren verminderte Häufigkeit von motorischen Spätkomplikationen im Vergleich zu einer L-Dopa-Therapie.

Diese Medikamente führen aber häufig zu Nebenwirkungen wie einer erhöhten Müdigkeit am Tage, Kauf- oder Spielsucht, Halluzinationen, Ödemen, Übelkeit, Schwindel oder Blutdruckschwankungen. Üblich ist auch die zusätzliche Gabe eines COMT-Hemmers (Entacapon, Tolcapon) bei bestehender L-Dopa-Therapie oder die zusätzliche Gabe eines MAO-B-Hemmers (Rasagilin, Selegilin).

Wenn Tabletten nicht mehr helfen

Schwere Störungen der Beweglichkeit sind auch mit einer bestmöglichen Einstellung der Medikamente kaum noch zu beeinflussen. Da kommt dann die Frage auf, ob eine Therapie mit einer Medikamenten-Pumpe oder die tiefe Hirnstimulation helfen kann. Diese Entscheidung sollten Patient und Angehörige mit einem erfahrenen Arzt, etwa in einer Parkinson-Schwerpunktpraxis, treffen.

Eine Alternative

Die tiefe Hirnstimulation gilt als eine wirksame Behandlungsmethode der Parkinson-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium. Sie kann deutlich die Symptome Tremor, verlangsamte Bewegungen und Überbeweglichkeit vermindern. Allerdings bessern sich nur solche Symptome, die auch auf L-Dopa ansprechen.

Die Operation

Die tiefe Hirnstimulation setzt einen operativen Eingriff voraus. Er ist Patienten vorbehalten, die mit Medikamenten nicht ausreichend behandelt werden können. In einer mehrstündigen Operation werden Elektroden an eine bestimmte Stelle im Gehirn eingepflanzt. Sie erhalten elektrische Signale von einem Impulsgeber, mit denen das Gehirn gezielt stimuliert wird. Dieses kleine, flache Gerät wird später unterhalb des Schlüsselbeins oder im Bauchraum eingesetzt. Dem Arzt ist es möglich, die Neurostimulation anschließend anzupassen, das Implantat kann auch jederzeit wieder abgeschaltet werden.

Wer eignet sich?

Patienten, die für die tiefe Hirnstimulation in Frage kommen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Die Symptome müssen auch mit L-Dopa behandelbar sein.
  • Ein entsprechender Test liefert hierfür den Nachweis.
  • Es muss eine schwere und objektive Beeinträchtigung bestehen.
  • Schwere Allgemeinerkrankungen, eine ausgeprägte Depression und eine Demenz müssen ausgeschlossen sein.
  • Neurochirurgische Gegenanzeigen müssen ausgeschlossen werden. Dazu zählen Gehirnschwund (Hirnatrophie) und die Neigung zu Blutungen.
  • Auch das Alter spielt eine Rolle: Menschen, die älter als 70 Jahre sind, wird die tiefe Hirnstimulation in der Regel nicht empfohlen.

Vorteile der Neurostimulation

Die tiefe Hirnstimulation erzielt deutlich bessere Ergebnisse als die orale Medikamententherapie, vor allem, was die Schwankungen der Beweglichkeit betrifft. Alltagsaktivität und Lebensqualität der Patienten verbessern sich oft erheblich. Das bestätigen auch erste Acht-Jahres-Verlaufsstudien. Der Wirkungsgrad einer tiefen Hirnstimulation ist vergleichbar mit der besten Wirkung von L-Dopa. Der wesentliche Vorzug der Neurostimulation liegt darin, dass die Wirkung über 24 Stunden anhält. Häufig kann nun die L-Dopa-Dosis verringert und damit die unerwünschten Nebenwirkungen vermindert werden.

Risiken

Vereinzelt kann es dazu kommen, dass sich Gang- oder Sprechstörungen verschlechtern. Die Hirnstimulation lässt sich dann ohne weiteren Aufwand stoppen. In sehr seltenen Fällen kann es durch die Operation zu Komplikationen, wie Blutungen im Gehirn oder Austritt von Hirnwasser oder Infektionen, kommen. Der Patient wird vor der OP durch den betreuenden Arzt über die Operation und die damit zusammenhängenden Risiken aufgeklärt. Verglichen mit anderen Hirnoperationen ist das Risiko, einen dauerhaften Schaden durch den Eingriff zu erleiden, mit 0,5 bis 3 Prozent sehr gering. Psychiatrische, in der Regel vorübergehende Nebenwirkungen können auftreten, ebenso kann die Gewöhnung an ein Leben mit dem Neurostimulator am Anfang schwierig sein. Eine Demenz entsteht durch die tiefe Hirnstimulation nicht.

Leben mit einem Hirnschrittmacher

Nach der Operation schließt sich eine Rehabilitation an, der Patient wird medikamentös neu eingestellt. Danach gibt es kaum Einschränkungen im Alltag. Auch sportliche Aktivität, Schwimmen und Saunabesuche sind möglich. Wichtig ist es, den Implantationsausweis unterwegs mit- zuführen und betreuende Ärzte und Therapeuten über das Implantat zu informieren. Nach drei bis fünf Jahren wird der Impulsgeber unterhalb des Schlüsselbeins ausgetauscht, da sich die Batterie leert. Diese Maßnahme lässt sich ambulant durchführen. Mindestens jedes halbe Jahr sollten die Patienten zur Nachsorge kommen. So kann der behandelnde Neurologe die optimale Einstellung des Hirnstimulators gewährleisten.

Dr. med. Martina Müngersdorf
Fachärztin für Neurologie, Berlin,