Parkinson: Hilfe bei psychischen Problemen

Parkinson schlägt aufs Gemüt. Die psychischen Störungen machen Patienten oft mehr zu schaffen als die körperlichen Symptome der Krankheit, berichtet NTC-Neurologin Dr. Sibylla Hummel. Einige Medikamente lindern die Beschwerden, aber auch das Verständnis von Betroffenen und Angehörigen hilft, seelische Probleme zu bewältigen.

Frau Dr. Hummel, welche Stimmungsänderungen beobachten Sie bei Ihren Parkinson-Patienten?

Die Parkinson-Erkrankung bringt die Psyche häufig aus dem Gleichgewicht. Angst und Panikstörungen können auftreten. Häufig gehen Depressionen mit Parkinson einher: 40 bis 50 Prozent aller Parkinson-Patienten sind davon im Laufe ihrer Erkrankung betroffen. Meistens kommen sie erst zum Neurologen, wenn körperliche Beschwerden auftreten. Wir wissen aber: Bei Morbus Parkinson treten oft erst Depressionen, dann körperliche Symptome auf. Verstimmungen und Niedergeschlagenheit gehen also oft den motorischen Symptomen wie Zittern und Muskelsteife voraus.

Depression als Anzeichen für Parkinson – Wie lässt sich das erkennen?

Nach psychischen Beschwerden müssen wir Fachärzte aktiv fragen. Wenn ältere Patienten von einer gedrückten Stimmungslage berichten, sollte man sie auf mögliche körperliche Parkinson-Symptome untersuchen. Manchmal sind es auch ganz subtile Empfindungen, die die Patienten schwer benennen können und die erste Anzeichen für Parkinson sein können, zum Beispiel: Mein Körper fühlt sich plötzlich anders an.

Ich frage meine Patienten auch danach, ob sich der Geruchssinn verändert hat oder sie schlechter schlafen oder Albträume haben.

Welche Schlafstörungen sind typisch für Parkinson?

Es gibt eine Störung während der REM-Schlafphasen (Traumschlaf), die schon im Frühstadium auftreten kann. Dabei leben Parkinson-Patienten geträumte Bewegungen aus, zum Beispiel schnelles Laufen oder Schreien. Sie fallen womöglich aus dem Bett oder verletzen im Schlaf den Partner neben sich. Dieses Verhalten zeigen Menschen mit Depressionen ohne Parkinson nicht.

Löst die Parkinson-Erkrankung Depressionen aus?

In der Tat gibt es deutliche Hinweise in der Forschung darauf, dass die Depression bei Morbus Parkinson hirnorganisch bedingt ist. Dafür spricht die Reihenfolge: erst Depression, dann motorische Symptome. Wir gehen daher nicht davon aus, dass Schwermut eine Reaktion auf die eigene Erkrankung ist. Natürlich kann es auch sein, dass der eine oder andere auf seine Diagnose mit Angst und Trauer reagiert und dieser psychische Stress wiederum die körperlichen Parkinsonsymptome verstärkt. Aber die eigentliche Depression hängt bei Morbus Parkinson mit dem spezifisch veränderten Hirnstoffwechsel zusammen.

Welche Behandlung empfehlen Sie?

Antidepressiva der neueren Generation helfen, etwa Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Sie können zusätzlich zur Parkinson-Medikation eingenommen werden. Eine Reihe von sogenannten Dopaminagonisten, die zur Behandlung von Morbus Parkinson eingesetzt werden, wirken sich oft auch günstig bei Depressionen aus, zum Beispiel Pramipexol. Für alle Antidepressiva gilt: Sobald Nebenwirkungen wie Verwirrtheit oder Gedächtnisstörungen auftreten, sollte das Mittel abgesetzt oder durch andere Wirkstoffe ersetzt werden. Denn alles, was das Denkvermögen und die Wahrnehmung verschlechtert, ist nicht zu akzeptieren.

Psychische Probleme können die Parkinson-Symptome verschlimmern. Was raten Sie zur Vorbeugung?

Wichtig ist, dass Patienten und auch die Angehörigen Bescheid wissen, welche Veränderungen und Probleme im Laufe der Erkrankung möglich sind und wie alle Beteiligten damit umgehen können. Das nimmt Angst und Unsicherheit, ebenso wie falsche Erwartungen.

Ein ganz wichtiges Thema ist auch die Sexualität. Darüber sprechen Männer nicht von sich aus. Doch Potenzstörungen sind keine Seltenheit, gleichzeitig bleibt die sexuelle Lust vorhanden, und manchmal wird die sexuelle Erregbarkeit durch bestimmte Parkinson-Medikamente sogar erhöht. Viele Männer leiden unter diesen krankheitsbedingten Symptomen. Oft sind es allerdings die Ehefrauen, die mich anrufen und mir davon erzählen. Auch hier würde es helfen, gemeinsam zu beraten, wie sich das Problem angehen lässt.

Was kann man bei Potenzstörungen tun?

Wenn der Parkinson-Patient sonst gesund ist, ist eine Behandlung mit modernen Potenzmitteln, zum Beispiel in Tablettenform, möglich. Gerade für jüngere Männer kann das eine wertvolle Hilfe sein. Bei stark gesteigerter sexueller Lust, die dem Betroffenen unangenehm ist, wäre zu prüfen, ob nicht auf einen anderen Dopaminagonisten umgestellt werden kann, der diese Nebenwirkung nicht hat.

Wie lässt sich die Psyche stärken?

Die kognitive Verhaltenstherapie bewährt sich auch bei Depression durch Morbus Parkinson. Hierbei geht es darum, negative Gedanken und Überzeugungen umzuwandeln und ein neues, positives Verhalten für sich einzuüben. Auch eine Paartherapie kann helfen, mit der eigenen Gefühlswelt besser klarzukommen. Außerdem helfen viele anerkannte Methoden zur Stressbewältigung dabei, die Psyche zu stabilisieren und damit auch die körperliche Befindlichkeit zu verbessern.

Mir fällt immer wieder auf, dass betroffene Frauen meistens allein zu mir kommen, betroffene Männer jedoch lieber in Begleitung ihrer Frau. Auf meine Frage, wie die Stimmung sei, sehen manche ihre Gattin an, nach dem Motto Sag du mal. Die Frauen erzählen dann oft mehr als der Patient mir erzählen würde. Ich finde es sehr gut, wenn Ehepaare gemeinsam zu mir kommen – und wenn die Ehemänner häufiger ihre an Parkinson erkrankten Frauen in die Sprechstunde begleiten würden.

Dr. med. Sibylla Hummel
Fachäztin ür Neurologie, Bad Krozingen