Parkinson: Wenn essen und schlucken schwerfallen

Sei es die tägliche Tabletteneinnahme oder der Genuss eines Apfels – vielen ParkinsonPatienten fällt es schwer, Nahrung oder Getränke ohne Probleme beim Schlucken zu sich zu nehmen. Über die Gründe der Beschwerden und worauf Patienten achten sollten, darüber hat NTC Impulse mit Dr. Grit Mallien, Sprachtherapeutin am Fachkrankenhaus Beelitz-Heilstätten, gesprochen.

Warum leiden Parkinson-Patienten häufig unter Schluckbeschwerden?

Bei Parkinson sind durch den Verlust des Botenstoffes Dopamin vor allem die sogenannten Basalganglien des Gehirns betroffen – Kerngebiete, die u. a. für den reibungslosen Ablauf hochautomatisierter Prozesse zuständig sind. Dazu gehören auch die Steuerung des Sprechens und Schluckens.

Dabei ist durch die Parkinson-Erkrankung nicht nur die zeitliche Koordinierung des Schluckens gestört, auch die Kraft der Muskulatur beispielsweise im Kiefer, in der Zungesund dem Schlund reicht nicht mehr aus.

Was sind erste Anzeichen für Schluckbeschwerden?

Erste Symptome können Probleme bei der Tabletteneinnahme, vermehrtes Husten beim Essen oder direkt danach sowie häufiges Verschlucken sein. Diese Beschwerden bringen die Betroffenen erfahrungsgemäß aber nur selten mit ihrer Parkinson-Erkrankung in Verbindung. Daher finde ich es wichtig, dass Patienten bereits zu Beginn der Erkrankung einen Sprachtherapeuten aufsuchen und einen sogenannten Schlucktest machen. Dieser kann helfen, Probleme rechtzeitig zu erkennen.

Zudem können Patienten mittels eines einfachen Fragebogens zu Beschwerden und deren Häufigkeit testen, in welchem Ausmaß sie von Schluckbeschwerden betroffen sind (siehe Tabelle). Mit den entsprechenden Angaben kann auch der Arzt geeignete Behandlungen festlegen.

Worin bestehen die Hauptprobleme?

Neben dem häufigen Verschlucken beim Essen und Trinken und der damit verbundenen Gefahr, dass Teile der Nahrung in die Atemwege gelangen können, ist vor allem die vermehrte Speichelansammlung im Mund ein großes Problem. Dabei kommt es bei Parkinson nicht zu einer stärkeren Speichelbildung, die Betroffenen schlucken nur zu selten. Normalerweise schlucken wir ein- bis zweimal pro Minute. Parkinson-Patienten schlucken mitunter in vier bis fünf Minuten nur ein einziges Mal. Dadurch sammelt sich mehr Speichel an.

Wie kann man diesem Problem entgegenwirken?

Um das regelmäßige bewusste Schlucken zu trainieren, sollte man sich stetig daran erinnern. Dabei kann zum Beispiel ein sogenannter Schluckwecker helfen, den man sich kostenlos auf der Seite herunterladen kann. Die Datei ist ca. 30 Minuten lang und erinnert den Patienten alle zwei Minuten mit einem akustischen Signal daran, bewusst zu schlucken. Eine Untersuchung mit Patienten, die dieses Training vier Wochen lang zwei Mal täglich durchgeführt haben, zeigt, dass die vermehrte Speichelansammlung abgenommen hat. Einen ähnlichen Effekt hat 20-minütiges Kaugummikauen am Tag. Dies hilft sowohl bei Mundtrockenheit – unter der viele Parkinson-Patienten aufgrund der Medikamente leiden – als auch bei zu viel Speichel. Zwar regt das Kaugummi die Speichelproduktion erst mal an, dadurch wird aber vermehrt abgeschluckt, wodurch sich der Speichelhaushalt gut ausbalanciert.

Was kann man gegen häufiges Verschlucken tun?

Ganz wichtig: Essen und Trinken trennen. Das bedeutet, erst einen Schluck trinken, wenn etwas gekaut und runtergeschluckt wurde. Um sich in Ruhe darauf konzentrieren zu können, sollte man wenn möglich während des Essens den Fernseher oder das Radio leise stellen. Auch sollte während des Kauvorganges nicht gesprochen werden. Nach dem Schlucken darf man sich natürlich normal unterhalten. Die Betroffenen sollten auch immer in einer aufrechten Position essen und trinken und nicht etwa im Liegen.

Gibt es auch Übungen, mit denen Patienten trainieren können?

Bei der chin tuck genannten Übung neigt der Patient – gerade beim Trinken – den Kopf nach unten und führt das Kinn zu Brust. Durch diese Bewegung wird die zum Auslösen des Schluckens notwendige Rückwärts-bewegung der Zunge unterstützt. Somit wird der automatisierte Reflex des Schluckens leichter ausgelöst.

Eine weitere, nicht ganz leichte, aber effektive Übung: Der Patient klemmt die Zungenspitze zwischen die Zähne und versucht zu schlucken. Die Zunge zieht dabei mit ziemlicher Intensität nach hinten, wodurch die Bewegung trainiert wird. So wird der Schluck des Betroffenen wieder kräftiger. Diese Übung sollte immer ohne Nahrung durchgeführt werden.

Worauf sollte bei der Nahrung geachtet werden?

Neben faseriger oder körniger Nahrung sollte man auch Mischkonsistenzen meiden, z. B. Schokokekse, Petersilienkartoffeln oder Suppen mit Einlage. Obst wie Äpfel und Pfirsiche sollte generell geschält und in kleine Spalten geschnitten werden. Außerdem ist es wichtig, dass die Speisen eine für den Patienten angenehme Temperatur haben.

Fällt das Trinken schwer, sollte man versuchen, schluckweise zu trinken oder einen Trinkhalm zu benutzen. Der große Vorteil davon ist auch, dass die komplette Mundmuskulatur trainiert wird. Andickungsmittel für Getränke finde ich wegen der möglichen Flockenbildung problematisch. Ich rate zu Wasser ohne Kohlensäure.

Tabletten sollten statt mit Milchprodukten, welche die Medikamentenwirkung negativ beeinflussen, mit Hilfe von Apfelmus eingenommen werden.

In welchen Fällen kommt künstliche Ernährung in Frage?

Die Ernährung mittels einer Magensonde halte ich bei Patienten mit einer schweren Schluckstörung oder nach einer Lungenentzündung durchaus für sinnvoll. Um eine Mangel­ernährung zu vermeiden, kann so der nötige tägliche Bedarf an Kalorien und Flüssigkeit gedeckt werden. Der Patient braucht dann nur so viel zu essen, wie er körperlich schafft oder zu sich nehmen möchte, um den Genuss des Essens zu haben, z. B. mit einer Cremetorte oder einer Kaltschale. Betroffene und Angehörige sollten wissen, dass eine Sonde die Lebensqualität verbessern kann.

Dr. Grit Mallien
Sprachtherapeutin am Fachkrankenhaus Beelitz-Heilstätten