Parkinson: Was tun, wenn die Blase verrücktspielt?

Ständiger Harndrang und häufige Gänge zur Toilette – viele Parkinson-Patienten leiden unter Blasenstörungen. Woher die Beschwerden kommen und was dagegen getan werden kann, weiß Prof. Dr. Wolfgang Jost, Facharzt für Neurologie an der Deutschen Klinik für Diagnostik in Wiesbaden.

Wie viele Parkinson-Patienten sind von Blasenstörungen betroffen?

Dazu eine genaue Aussage zu machen, ist schwierig. Die Daten schwanken von 35 bis über 90 Prozent – je nachdem, ob die Patienten nur befragt oder auch ärztlich untersucht wurden. Fest steht, dass die Wahrscheinlichkeit für entsprechende Symp-tome zunimmt, je länger der Patient bereits an Parkinson erkrankt ist: Zu Beginn der Erkrankung ist es ein relativ niedriger Prozentsatz, in der mittleren Phase ist etwa die Hälfte der Patienten und im fortgeschrittenen Stadium sind fast alle betroffen.

>Welche Störungen treten am häufigsten auf?

Die Betroffenen leiden vor allem unter dem ständigen Drang, auf die Toilette zu müssen. Dementsprechend kommt es zu häufigem Wasserlassen – sowohl tagsüber als auch nachts. Zudem besteht bei starkem Harndrang die Gefahr, inkontinent zu sein.

Wodurch werden diese Probleme verursacht?

Insbesondere bei der Parkinson-Erkrankung ist es nicht immer möglich zu sagen, ob die Blasenstörungen durch die Grunderkrankung, durch entsprechende Medikamente oder völlig unabhängig von beidem auftreten. Bei Parkinson kommt es zu einer verminderten Produktion des Botenstoffes Dopamin im Gehirn. Dieser übernimmt beim gesunden Menschen die Hemmung der Blase. Das heißt, man geht erst zur Toilette, wenn es passt. Fehlt es an Dopamin, fehlt auch die wichtige Hemmung und der Patient verspürt bereits bei einer mäßig gefüllten Blase den Drang zur Toilette, den er nicht unterdrücken kann. Das Risiko einer Inkontinenz ist natürlich bei denjenigen Patienten erhöht, die auch unter starken körperlichen Beeinträchtigungen leiden.

Was spielt bei der Diagnostik eine Rolle?

Die Diagnostik der Blasenstörungen erfolgt in der Regel aufgrund der Symptombeschreibung der Patienten, der Anamnese und der ärztlichen Untersuchung durch einen Urologen.

Damit der Arzt die Symptome gut einschätzen und dann eine passende Therapie auswählen kann, sollten die Patienten offen über die Problematik und vor allem ihren individuellen Leidensdruck sprechen. Für einen Patienten, der zum Beispiel unter einer körperlichen Behinderung leidet, kann jeder Toilettengang eine Belastung sein, auch wenn die eigentliche Anzahl der Gänge pro Tag normal ist.

Auch die Verringerung von fünf auf zwei Toilettengänge pro Nacht unter einer Therapie ist objektiv zwar eine Verbesserung, subjektiv können aber auch diese zwei Mal für den Patienten immer noch zu häufig und somit belastend sein.

Interessant ist auch, dass es bei Frauen häufig auch zu einer sogenannten Belastungsinkontinenz kommen kann, also einem Urinverlust beim Husten oder Heben und nicht aufgrund eines Dranggefühls. Da sich die Therapiemöglichkeiten für beide Inkontinenzformen unterscheiden, ist es für den behandelnden Arzt wichtig, dass die Patientin ihm die Symptome bzw. die Situationen, in denen sie inkontinent ist, genau schildert.

Beim Mann dagegen müssen auch die Patienten wissen, dass an Blasenstörungen im höheren Alter keineswegs immer die Prostata schuld ist, sondern die durch Parkinson bedingten Symptome dazukommen.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Das Mittel der Wahl ist nach wie vor die medikamentöse Therapie, insbesondere mit sogenannten Anticholinergika. Diese Arzneimittel können die Symptome zwar nie komplett beseitigen, aber zumindest lindern und so die Lebensqualität der Patienten verbessern. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass Parkinson-Patienten noch eine Vielzahl anderer Medikamente einnehmen. Einige dieser Mittel können in ihrer Wirkung durch die Medikamente gegen Blasenstörungen gestört werden oder es kommt zu unerwünschten Nebenwirkungen. Andererseits können auch Parkinson-Medikamente zu einer Verschlechterung der Blasenfunktion führen. Aus diesen Gründen sollten Urologe und Neurologe hier Hand in Hand arbeiten, um dem Patienten eine optimale Therapie zu ermöglichen.

Als neue Behandlungsoption steht hoffentlich bald die Substanz Botulinumtoxin A zu Verfügung, die bereits bei Blasenstörungen bei Patienten mit Multipler Sklerose zugelassen ist. Auch bei Parkinson-Patienten könnte der Wirkstoff helfen, indem er in einem einfachen ambulanten Eingriff in die Blasenmuskulatur gespritzt wird und diese teilweise lähmt. Dadurch entspannt sich die Muskulatur und die Blase kann mehr Urin über einen längeren Zeitraum speichern. Der Harndrang nimmt ab, die Abstände zwischen den Toilettengängen werden größer und der Patient ist seltener inkontinent. Die Wirkung des Botulinumtoxins kann sechs bis zwölf Monate anhalten.

Im Fall einer Inkontinenz können einige Patienten von einem sogenannten Toilettentraining profitieren, bei dem durch regelmäßige Toilettengänge dem Harndrang vorgebeugt wird.

Prof. Wolfgang Jost
Leiter der Neurologie an der Deutschen Klinik für Diagnostik, Wiesbaden