Schmerz: Was tun gegen häufige Schmerzattacken?

Fast jeder kann sich unter Migräne etwas vorstellen oder hat es schon einmal selbst erlebt. Die besondere Form der Chronischen Migräne ist hingegen noch unbekannt, obwohl allein in einer mittelgroßen deutschen Stadt wie Mannheim geschätzt bis zu 3.000 Menschen darunter leiden. Wir sprachen mit PD Dr. Uwe Reuter, dem Leiter der Kopfschmerzambulanz an der Charité Berlin.

Interview: Anne Göttenauer

Was versteht man unter Chronischer Migräne?

Menschen mit Chronischer Migräne leiden extrem häufig unter Kopfschmerzen. In der Regel haben sie zunächst eine Episodische Migräne – also gelegentliche Migräneattacken, bevor die Anfälle immer häufiger werden. Wir Ärzte sprechen von Chronischer Migräne, wenn über drei Monate hinweg an mindestens 15 Tagen pro Monat Kopfschmerzen auftreten. Laut Definition muss es sich dabei an mindestens acht Tagen pro Monat um Migräne mit typischen Symptomen handeln, also einseitige, pulsierende Kopfschmerzen, verbunden mit Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit. Viele Betroffene wissen nicht, woher die häufigen Schmerzen kommen, und haben entweder zahlreiche erfolglose Arztbesuche hinter sich oder sich mit den regelmäßigen Schmerzen abgefunden. Das darf natürlich nicht sein.

Was bedeutet die Erkrankung für die Betroffenen?

Eine Chronische Migräne ist sowohl körperlich als auch seelisch sehr belastend und wirkt sich vor allem auf das soziale Leben aus: Die Betroffenen ziehen sich häufig zurück, Depressionen oder Angststörungen kommen gehäuft vor. Aus Angst vor einem plötzlichen Migräneanfall unternehmen viele auch an schmerzfreien Tagen nur wenig mit Familie oder Freunden. Im Berufsleben haben die Betroffenen oftmals viele Fehltage und können kaum einer geregelten Arbeit nachgehen. Wer regelmäßig Schmerzmittel einnimmt, kann zudem sein Risiko für entsprechende Nebenwirkungen wie Leber- oder Nierenschäden erhöhen.

Was kann ich tun, wenn ich vielleicht betroffen bin?

Für sich selbst, aber auch für ein Gespräch mit dem Arzt ist es hilfreich, ein Schmerztagebuch zu führen. Hier trägt man die Attacken ein, beschreibt die Art und die Stärke des Schmerzes und notiert eingenommene Medikamente. Einträge über mindestens drei Monate können dem behandelnden Arzt helfen, eine Chronische Migräne zu diagnostizieren. Falls diese vorliegt, sollte die weitere Behandlung durch einen Schmerzspezialisten erfolgen. Entsprechende Fachärzte findet man u. a. auf der Internetseite der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft unter .

Sind die Ursachen einer Chronischen Migräne bekannt?

Genau kennt man sie nicht. Wer häufig unter Kopfschmerzen leidet, hat ein erhöhtes Risiko. Das sogenannte Schlaf-Apnoe-Syndrom, bei dem im Schlaf Atemstillstände auftreten, kann die Entstehung fördern. Auch Depressionen, Angststörungen, Stress und starkes Übergewicht begünstigen eine Chronische Migräne. Zudem sind Frauen häufiger betroffen als Männer, was hormonelle Ursachen haben kann.

Wie kann eine Chronische Migräne behandelt werden?

Die Therapie sollte aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen bestehen, wie Stressabbau durch Entspannungsübungen oder Sport. Zur Linderung akuter Attacken können wie bei der Episodischen Migräne entweder sogenannte Triptane oder andere Schmerzmittel wie Acetysalicylsäure und Ibuprofen und gegen Übelkeit sogenannte Antiemetika helfen. Auch zur Verringerung der Anfallshäufigkeit können Medikamente eingesetzt werden, z. B. Betablocker oder Topiramat.

Speziell bei Chronischer Migräne gibt es zur Vorbeugung von Schmerzattacken inzwischen einen zugelassenen Wirkstoff, das Botulinumtoxin Typ A. Es wird alle drei Monate in verschiedene Muskeln im Kopf- und Nackenbereich gespritzt und kann Studien zufolge die Häufigkeit der Kopfschmerztage in etwa halbieren. Ist eine Chronische Migräne diagnostiziert, werden die Kosten für diese Behandlung von den Krankenkassen übernommen.

Herr Dr. Reuter, haben Sie vielen Dank für das nette Gespräch.

PD Dr. med. Uwe Reuter
Leiter der Kopfschmerzambulanz an der Charité Berlin