Schlaganfall: Kälte gegen Schlaganfall
Kälte ist für uns Menschen nicht besonders angenehm. Bei eisigen Temperaturen im Winter ergreifen viele von uns oft die Flucht in den warmen Süden. Wird uns kalt, fangen wir an zu zittern. Das Zittern ist ein Warnsignal des Körpers, indem unsere Muskeln versuchen, gegen die Kälte zu arbeiten. Eine gezielte Unterkühlung durch Mediziner kann in manchen Situationen sogar Leben retten.
Diese Behandlungsmethode nennt sich »Hypothermie«. Bei Herz-Kreislaufstillständen ist sie bereits eine gängige Methode. Seit 2002 wird die therapeutische Kühlung in den medizinischen Leitlinien empfohlen. 2012 startete eine groß angelegte klinische Studie, gefördert durch die Europäische Union, die den therapeutischen Nutzen der Hypothermie auch bei Schlaganfall-Patienten belegen soll. Insgesamt 1.500 Patienten sollen in ganz Europa untersucht werden. Wird die Wirksamkeit der Hypothermie bestätigt, kann das Verfahren offiziell in Europa eingeführt werden. Untersucht werden derzeit Patienten, die einen ischämischen Schlaganfall (Hirninfarkt) erlitten haben.
Bleibende Schäden vermeiden
Unser Gehirn braucht Sauerstoff, um zu funktionieren. Ein ischämischer Schlaganfall, verursacht durch eine Verminderung der Hirndurchblutung, schränkt die Sauerstoffversorgung der betroffenen Hirnanteile erheblich ein. Deswegen sind die ersten Stunden nach einem Schlaganfall entscheidend – es muss direkt gehandelt werden. Durch einen schnellen Therapiebeginn können Gehirnzellen vor dem Absterben gerettet und spätere Beeinträchtigungen gemindert werden. Das therapeutische Unterkühlen kann den Sauerstoffbedarf des Gehirns senken, weil die Kälte das Gehirn in eine Art Winterschlaf versetzt, in der alle Stoffwechselvorgänge verlangsamt ablaufen. Durch das Abkühlen der Körperkerntemperatur können die Mediziner wertvolle Zeit gewinnen, um die Blutversorgung wieder herzustellen, indem sie das Blutgerinnsel medikamentös oder operativ entfernen.
Äußere und innere Kühlung möglich
Bei der Hypothermie gibt es unterschiedliche Behandlungsmethoden, die sich in äußere und innere Kühlung teilen lassen. Für die Kühlung von außen gibt es verschiedene Oberflächenkühlsysteme, deren Einsatz als Sofortmaßnahme im Rettungsdienst denkbar ist. Die Kühlelemente sind mit einem speziellen Gel gefüllt und werden bei -8 bis -11° C gelagert. In einer Akutsituation werden die Kissen direkt auf die Haut des Patienten gelegt, denn die Körperkerntemperatur des Patienten soll schnellstmöglich gesenkt werden – bis zur weiteren ärztlichen Diagnose. Das System darf nur unter ärztlicher Aufsicht angewendet werden! Die Kühlung von innen, beispielsweise durch Kühlkathetersysteme, ist effektiver und besser steuerbar als die Kühlung von außen, aber wegen ihrer Invasivität an das Krankenhaus gebunden. Der Kühlkatheter funktioniert wie eine Art Wärmetauscher: Ein Kühlmittel durchströmt den Katheter und kühlt so das Blut, kommt aber selbst nicht mit dem Körper in Berührung. Dauer und Tiefe der Kühlung können variieren – in der aktuellen Studie soll für 24 Stunden auf 34 bis 35° C gekühlt werden.
Geringe Risiken
Die Kälte ist für wache Patienten nicht angenehm und der Körper wehrt sich mit Kältezittern und starker Müdigkeit. Eine wesentliche Nebenwirkung, die es zu bekämpfen gilt, ist die mögliche Infektion der Patienten durch Kälte und Medikamente. Sogar eine Lungenentzündung kann auftreten. Im Vergleich zu den erheblichen Auswirkungen eines Schlaganfalls sind die Risiken jedoch bei leichter Kühlung als sehr gering einzuschätzen.
Grundsätzlich gilt: Je mehr Zeit nach einem Schlaganfall verstreicht, desto geringer ist die Chance, dass das minderdurchblutete Hirngewebe überlebt. Ein Patient, der innerhalb von viereinhalb Stunden nach den ersten Anzeichen eines Schlaganfalls behandelt wird, hat gute Chancen, ohne bleibende Schäden davon zu kommen. Symptome für einen Schlaganfall können Sehstörungen, Sprach- und Verständnisstörungen, Lähmung, Taubheitsgefühl, Schwindel oder starker Kopfschmerz sein.