Parkinson: Tiefe Hirnstimulation – Beweglichkeit frühzeitig erhalten

Aktuellen Studienergebnissen zufolge kann eine nicht erst im späten Stadium der Erkrankung, sondern bereits früher durchgeführt tiefe Hirnstimulation die Beweglichkeit und vor allem die Lebensqualität von Parkinson-Patienten erheblich verbessern. Welche Vorteile eine solche Behandlung genau hat, aber auch welche alternativen Therapie von Bewegungsstörungen es gibt, erläutert Prof. Dr. Lars Timmermann, Oberarzt und Leiter der Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation am Universitätsklinikum Köln.

Interview: Anne Göttenauer

Unter welchen Bewegungsstörungen leiden Parkinson-Patienten?

Die bekanntesten Symptome bei Patienten mit Morbus Parkinson sind das Zittern – der sogenannte Tremor, die Muskelsteifheit und die Unterbeweglichkeit – die Akinese. Dies sind auch die wesentlichen Merkmale für die Diagnose einer Parkinson-Erkrankung. Dazu kommt noch ein weiteres Symptom, die sogenannte posturale Instabilität. Dabei handelt es sich um eine mangelnde Stabilität der Köperhaltung, das heißt, der Patient kann nicht mehr so sicher gehen und stehen.

Welche Rolle spielt die Lebensqualität bei einer Therapie der motorischen Störungen?

Wir Ärzte haben eigentlich erst in den letzten Jahren gelernt, dass die Lebensqualität unserer Patienten das entscheidende Maß ist, um eine Therapie bezüglich ihrer Wirksamkeit zu beurteilen und auch individuelle Behandlungsmaßnahmen für die Patienten auszuwählen. Das gilt zum einen für die Frühphase der Parkinson-Erkrankung, in der man mittels einer medikamentösen Therapie versucht, die Symptome gezielt so zu verbessern, dass die Lebensqualität möglichst gut ist. Zum anderen zeigt eine aktuelle Untersuchung, dass wir Therapieverfahren, die wir eigentlich erst ans Ende der Therapie gesetzt haben, wie die tiefe Hirnstimulation, bereits viel früher einsetzen können und auch sollten, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Worum ging es bei der genannten Studie?

Bei Patienten im mittleren Stadium der Erkrankung – also zwischen dem 12. und 14. Krankheitsjahr, wenn der Wechsel zwischen guter und schlechter Beweglichkeit schon recht ausgeprägt ist – können durch eine tiefe Hirnstimulation im Vergleich zur medikamentösen Therapie die Beweglichkeit und somit auch die Lebensqualität deutlich verbessert werden. Dennoch können viele Patienten die neu gewonnene Beweglichkeit nicht nutzen oder genießen, da das private, berufliche und soziale Leben oftmals schon zu sehr gelitten hat. Das heißt, Partnerschaften sind bereits gescheitert, der Beruf oder sportliche Aktivitäten mussten beendet werden, es fand ein sozialer Rückzug statt. Die Überlegung war also, zu untersuchen, inwieweit ein früherer operativer Eingriff dabei helfen könnte, die Patienten möglichst gut beweglich bleiben zu lassen. Anders gesagt: Wir wollten wissen, ob und in welchem Ausmaß Patienten, bei denen der sogenannte Honeymoon – die gut behandelbare Phase des Parkinsons – zu Ende zu gehen scheint und motorische Störungen zunehmen, von einer frühen Operation in Kombination mit der besten medikamentösen Therapie im Vergleich zur alleinigen bestmöglichen medikamentösen Behandlung profitieren. Dabei ging es nicht nur um die reine Beweglichkeit, sondern vor allem um die Verbesserung des privaten, beruflichen und sozialen Lebens.

Was sind die Ergebnisse der Untersuchung und was bedeuten sie für die Patienten?

Diese EARLY-STIM Studie hat zwei wichtige und beeindruckende Ergebnisse gebracht: Zum einen haben auch die Patienten mit der bestmöglichen medikamentösen Therapie dahingehend profitiert, dass sich ihre Lebensqualität über zwei Jahre nicht verschlechtert hat. Das zeigt, wie wirksam eine optimale Einstellung der medikamentösen Behandlung sein kann. Zudem – und das ist die entscheidende Erkenntnis – konnte bei denjenigen Patienten, die operiert und gleichzeitig bestmöglich medikamentös therapiert worden sind, eine erhebliche, auch noch über zwei Jahre anhaltende Verbesserung der Lebensqualität erreicht werden, insbesondere durch eine Rückkehr in einen funktionierenden privaten und beruflichen Alltag.

Für welche Patienten ist eine frühere Operation möglich?

Pauschale Urteile sind diesbezüglich sehr schwierig. Bei jedem Patienten muss individuell geprüft werden, welche persönlichen Risiken bzw. Erfolgsaussichten er hat. Dabei gibt es einige Grundregeln. Demnach zeigen Patienten, die unter Konzentrations- oder Gedächtnisproblemen leiden, auch oft nach der Operation noch eine deutliche Verwirrtheit. Auch psychische Symptome, wie Depressionen oder manische Verhaltensweisen, können durch die OP verstärkt werden. Nicht zuletzt gilt auch bei der tiefen Hirnstimulation, dass allgemeine internistische Risiken ausgeschlossen sein müssen. Ob ein Patient von der tiefen Hirnstimulation profitiert, kann mittels eines sogenannten L-Dopa-Tests abgeschätzt werden. Bewirkt die Gabe von L-Dopa eine Besserung von einer schlechten zu einer guten Beweglichkeit, ist das eine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Operation.

Welche Alternativen zur operativen Therapie gibt es?

Es gibt sehr gute Alternativen für Patienten, die entweder Angst vor einer Operation haben oder bei denen die Risiken einer Operation deren Nutzen überwiegen: Dazu zählt in erster Linie natürlich die Optimierung der Medikation und das Ziel, diese so anzupassen, dass keine Komplikationen auftreten. Eine weitere Möglichkeit ist, Apomorphin – einen sogenannten Dopaminagonisten, also ein Medikament, das die Wirkung von L-Dopa nachahmt – nicht als Tablette zu verabreichen, sondern es zur Wirkungsverbesserung mittels einer kleinen Pumpe unter die Haut zu spritzen. Eine solche dauerhaft genutzte Apomorphinpumpe ermöglicht es vielen Patienten, auch ohne Operation gleichmäßig gut über den Tag beweglich zu sein.

Ebenfalls mit einer Pumpe kann das wirksamste Parkinson-Medikament L-Dopa direkt an die Stelle gebracht werden, an der es aufgenommen wird, nämlich über einen Schlauch in Magen und Dünndarm. Gerade für Patienten, die über den Tag sehr schwankend über- und unterbeweglich sind, ist das eine gute Option. Sie führt dazu, dass die meisten Patienten gar keine Medikamente mehr brauchen. Leider ist diese Therapie sehr teuer.

Welche ergänzenden Vorteile hat eine Physiotherapie?

Eine regelmäßige Physiotherapie ist für viele Patienten nicht nur nette Ansprache durch Therapeuten, sondern vor allem auch ein sinnvolle Maßnahme, um Symptome deutlich zu verbessern, bei denen eine medikamentöse Therapie nicht besonders wirksam ist, z. B. bei Störungen des Gangbildes oder zur Bekämpfung des sogenannten Freezings, wenn die Füße des Betroffenen am Boden kleben bleiben. In den letzten Jahren, sind viele neue physiotherapeutische Verfahren entwickelt und erfolgreich eingesetzt worden, wie die sogenannte BIG-Therapie. Sie hilft Parkinson-Patienten, speziell durch große Bewegungen das Problem zu kleiner und dann eventuell auch einfrierender Schritte und Starthemmungen zu überwinden.

Prof. Dr. Lars Timmermann
Oberarzt und Leiter der Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation am Universitätsklinikum Köln