Parkinson: Sprachtraining – Mehr Kraft für die Stimme

Rund 90 % aller Parkinson-Patienten entwickeln im Laufe ihrer Erkrankung Sprechstörungen, sogenannte Dysarthrien. Mit einer gezielten Sprachtherapie lassen sich jedoch schnelle und nachhaltige Verbesserungen erzielen, weiß die Klinische Linguistin Bettina Hoffmann. Interview: Silke Bruns

Wie äußern sich die Sprechstörungen bei Parkinson-Patienten genau?

Es gibt vier Ebenen, auf denen das Sprechen beeinträchtigt sein kann. Das sind Sprechatmung, Stimmgebung, Artikulation – also Aussprache – und Prosodie. Der letztgenannte Fachbegriff steht – einfach ausgedrückt – für die Lebendigkeit und Natürlichkeit des Sprechens. Bei Parkinson-Patienten geht unter anderem oft die Fähigkeit zur Akzentsetzung verloren, das Gesprochene klingt monoton.

Das Schwinden der Sprache geht oft auch mit sozialer Isolation einher.

Neurolinguisten sprechen vom Verlust des akustischen Gesichts: Sprache ist ein Teil der Persönlichkeit. Wenn Menschen Schwierigkeiten damit bekommen, sich verständlich auszudrücken, und sich nicht mehr verstanden fühlen, tendieren sie dazu, sich immer mehr zurückzuziehen.

Kann man die Symptome mit Medikamenten bekämpfen?

Eine gute medikamentöse Einstellung ist die Grundlage der Behandlung der an Parkinson Erkrankten. Allerdings ist zusätzlich intensive Sprachtherapie erforderlich. Damit erzielen wir ganz ausgezeichnete Erfolge. Die Stimme wird lauter und kräftiger, der Ausdruck präziser. Patienten, die sich vorher kaum noch ans Telefon getraut haben, gehen wieder unter Menschen, melden sich im Verein oder auch im Job wieder zu Wort. Das ist sehr beeindruckend.

Wie läuft eine Sprachtherapie ab?

Standard ist heute das sogenannte LSVT (Lee-Silverman-Voice-Treatment), ein in den USA entwickeltes Verfahren. Ziel ist es, den Patienten auf eine laute, kräftige Stimme einzustellen. Er soll das laute Sprechen so weit verinnerlichen, dass er die Stimme auch in Alltagsgesprächen automatisch anwendet. Dazu absolviert der Patient einen intensiven Therapieblock von vier Wochen mit wöchentlich vier einstündigen Sitzungen und muss darüber hinaus zusätzlich nach Anleitung üben. Zahlreiche Studien bestätigen die hohe Wirksamkeit des Programms. Neben der kompakten Therapiemethode LSVT gibt es natürlich auch andere Therapieformen mit unterschiedlicher Therapiefrequenz.

Für wen eignet sich welche Therapie?

Das kommt darauf an, wie intensiv der Patient an seinem Sprachvermögen arbeiten kann und will. Unser Krankenhaus bietet Patienten, die nicht mehr so mobil sind oder keinen spezialisierten Sprachtherapeuten vor Ort haben, die LSVT-Therapie neben der Möglichkeit einer stationären Behandlung auch als zeitsynchrone Teletherapie an. Therapeut und Patient sind über Internet und PC-Bildschirm live miteinander verbunden und können die Therapiestunde so gestalten, als säßen sie sich im richtigen Leben gegenüber. Noch ist dies aber ein Modellversuch.