Schlaganfall: Klettern stärkt Körper und Geist

Bei der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten kommt immer öfter eine noch junge, aber schon erprobte Therapieform zum Einsatz: das therapeutische Klettern.

Er hat die Eiger- und die Matterhorn-Nordwand durchstiegen, verbringt jede Menge Zeit in den Bergen: Hajo Friederich ist aber nicht nur leidenschaftlicher Kletterer, sondern auch engagierter Physiotherapeut. Der Berchtesgadener gilt als einer der Mitbegründer des therapeutischen Kletterns und bietet eine eingetragene, nach ihm benannte Ausbildung (Therapeutisches Klettern nach Hajo Friederich, kurz TKHF) an. Kraft und Konzentration gehen beim Klettern miteinander einher, weiß Friederich, der Klettertherapeuten heute in seinem eigenen Institut ausbildet. Vom Klettern profitiert also nicht nur der Körper, sondern auch der Geist. Das macht die Therapieform besonders nachhaltig – gerade auch in der Behandlung von Schlaganfall-Patienten.

Und so funktioniert die Verknüpfung von Klettern und Physiotherapie:

Therapiebeginn. Die Therapie eignet sich für Schlaganfall-Patienten jedes Alters und erfordert keinerlei Vorerfahrung. Einige Klettertherapeuten gehen mit dem Patienten erst an die Kletterwand, wenn er Aktivität in der vom Schlaganfall betroffenen Seite spürt. Andere arbeiten bei Lähmungen – in Anlehnung an die bekannte Bobath-Therapie – mit der nicht betroffenen Seite.

Therapieangebot. Therapeutisches Klettern findet in der Regel in der Praxis des Physiotherapeuten statt – an maximal raumhohen Kletterwänden, die speziell zur Mobilisierung von Patienten entwickelt worden sind. Die Griffe an der Wand sind symmetrisch angeordnet, damit sich der Patient sicher fortbewegen kann. Er bewegt sich mit kleinen Schritten in einer Höhe von maximal einem Meter über dem Boden und muss daher – wie beim Bouldern (Klettern ohne Seil) – auch nicht gesichert werden.

Therapiedauer. Zwei bis drei Übungseinheiten (ca. 25 Minuten) pro Woche sind für den nachhaltigen Erfolg notwendig. Die verbringt der Patient nicht nur an der Kletterwand. In zwei- bis dreiminütigen Pausen stehen ergänzende Übungen am Boden oder Treppensteigen auf dem Programm.

Therapiekosten. Im Rahmen einer ärztlichen Verordnung kann der Physiotherapeut die Kletterwand – wie andere Sportgeräte oder Hilfsmittel auch – individuell und nach Bedarf einsetzen. Für den Patienten ist die Therapie damit kostenlos. Ein Sonderfall: Auf TKHF spezialisierte Therapeuten rechnen privat ab.

Kleine Schritte, Große Wirkung

Der Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten IFK e. V. sieht im therapeutischen Klettern für Schlaganfall-Patienten, aber auch in der Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen eine optimale Ergänzung zur klassischen Physiotherapie, so die IFK-Vorsitzende Ute Repschläger. Die Therapie hat einen hohen Wirkungsgrad: An der Kletterwand werden kindliche Bewegungsmuster unmittelbar abgerufen, etwa das Krabbeln oder Kriechen, weiß Physio- und Klettertherapeut Frank Lehwald aus dem niedersächsischen Emmerthal. Die Greif-, Tritt- und Zugbewegungen an der Wand fördern das Zusammenspiel von sensorischen und motorischen Impulsen. Die tiefensensiblen Reize sorgen für die Verbesserung des Gleichgewichts und eine Haltungsanpassung der Muskulatur. Lehwald: Dabei setzt das Klettern beim Patienten starke Energien frei, der Motivationsfaktor ist enorm!