Psyche: Neustart mit psychischem Handicap
Depressionen und Angststörungen zählen zu den häufigsten Gründen für Fehlzeiten im Job, psychische Leiden werden als chronische Erkrankungen anerkannt und Betroffene – vergleichbar mit einer Behinderung –inzwischen vor möglicher Diskriminierung im Arbeitsleben geschützt: Die Zeit ist gekommen, um auch die Psyche aus der Tabuzone zu befreien. Ein psychisches Leiden zu verstecken, ist oft leichter, als körperliche Erkrankungen zu kompensieren. Wenn aber Job und Alltag nicht mehr zu schaffen sind, folgen stationäre Therapieaufenthalte und damit Wochen oder Monate der Arbeitsunfähigkeit. Wie gelingt dann der Wiedereinstieg ins Berufsleben?
Unterstützung holen.
Spätestens nach der Rückkehr steht ein klärendes Gespräch in der Firma darüber an, was in Zukunft im Job möglich ist – und was nicht mehr. Das erfordert eine große Portion an Selbstvertrauen und Sachlichkeit; erst recht, wenn die Belastungen im Job das Leiden mitverursacht haben. Dann sollten sich Betroffene von vornherein Unterstützung holen und sich an den Betriebsrat, an den Betriebsarzt oder den BEM-Beauftragten wenden. Auch psychisch kranke Menschen genießen wie jeder chronisch kranke Erwerbsfähige alle Rechte und Möglichkeiten der beruflichen Wiedereingliederung.
BTZ-Training
Verkürzte Arbeitszeiten oder neue Aufgabenbereiche im alten Job zu übernehmen, können gute Lösungen sein. Wenn nach längerer Erkrankung zunächst eine Phase der Stabilisierung nötig ist, kann eine einjährige, geförderte Trainingsmaßnahme sinnvoll sein, um auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Die bundesweit 15 Beruflichen Trainingszentren (BTZ) bieten praxisnahe berufliche Rehabilitation für unterschiedliche Berufsfelder und Positionen an – von der Küchenhilfe bis zur IT-Führungskraft. Das einjährige Training orientiert sich an der individuellen Situation jedes Teilnehmers
, erklärt Gudrun Thömen vom BTZ Hamburg, denn eine Diagnose, beispielsweise Depression, kann bei zwei Menschen ganz unterschiedliche Ausprägungen haben.
Die zweite Karriere planen
Zurück in den Job – mit veränderten Vorzeichen
– unter diesem Motto üben die Teilnehmer selbstständiges Arbeiten und fachbezogene Routinen wieder ein, probieren sich in Betriebspraktika aus und gestalten im Rahmen eines Bewerbungstrainings ihren neuen Auftritt auf dem Arbeitsmarkt. Dazu gehört auch das Bewerbungsgespräch, bei dem sie das Vorurteil aus der Welt räumen können, dass Psychopharmaka die Leistungsfähigkeit drosseln oder süchtig machen. Der Erfolg dieser Maßnahme zur »Integration psychisch behinderter Menschen« lässt sich an der bundesweiten Integrationsquote 2011 ablesen: 60 Prozent aller Teilnehmer waren innerhalb von sechs Monaten nach dem Training wieder berufstätig. Es kann vorkommen, dass die Kraft für einen beruflichen Neustart nicht ganz reicht. Ebenso haben wir auch schon in führende Positionen zurückvermittelt
, bestätigt Sozialtherapeutin Gudrun Thömen.