Multiple Sklerose: An die Hand genommen
Eine MS-Therapie über Jahre durchzuhalten, ist nicht nur eine Frage des starken Willens. Wenn Müdigkeit und Konzentrationsschwäche die Routine zu durchbrechen drohen, kann eine Therapiebegleitung vor Lücken schützen.
Wer das erste halbe Jahr schafft, hat es leichter. Nur muss man dahin erst einmal kommen. Bis zu 42 Prozent der MS-Patienten gelingt es nicht. Sie brechen ihre Therapie ab, weil sie mit den ungewohnten Nebenwirkungen nicht klarkommen oder das Vertrauen in die vorbeugende Wirkung fehlt – die sich medizinisch erst nach etwa einem Jahr zeigt.
Müdigkeit macht vergesslich
Selbst bei eingespielter Injektionsroutine ereignen sich ungeplante Therapiepausen, durch die sich der Krankheitsverlauf wieder verschlechtern kann, neue Schübe und weitere Schäden an Nervenfasern drohen. In der internationalen GAP-Studie (Global Adherence Project, 2011) wurden mehr als 2.500 Menschen mit MS befragt. Als Hauptursache für Therapie-»Aussetzer« fand man heraus: Das Medikament wurde schlicht vergessen. Fatigue, kognitiv schwache Phasen und auch Depressionen sind mögliche Begleitsymptome der MS, welche die Therapietreue gefährden können.
Persönlicher Begleitschutz
Personalisierte Betreuungsprogramme verringern in solchen Fällen das Risiko eines Therapieabbruchs, und das offenbar mit gutem Erfolg: Die Datenlage ist zwar noch schwach, doch liegt Messungen zufolge die Abbruchquote betreuter MS-Patienten weit unter den 50 Prozent, welche die Weltgesundheitsorganisation als Durchschnitt ermittelt hat. Eine systematische Therapiebegleitung kann auch aus Sicht der Neurologen die Qualität einer Behandlung fördern: Patienten werden auf Wunsch je nach Therapieform, Lebenssituation und persönlichen Bedürfnissen fachkundig und lückenlos durch ihre Therapie begleitet. Für Teilnehmende gibt es damit eine weitere zuverlässige Anlaufstelle, um Fragen zu klären und sich gezielte Anwendungstipps zu holen.
Coaching auch per Klingelton
Der Besuch einer MS-Schwester ist wichtig, wenn die Handhabung von Spritzen und Injektoren nicht richtig klappt. Auch langjährige oder ältere Patienten schätzen den Wert eines Gesprächs mit einem »MS-Profi«. Vor allem für berufstätige Menschen, die phasenweise nichts von ihrer MS spüren, eignen sich mobile digitale Dienste. Mit Smartphone-Apps können sie sich an Termine für Injektion oder Tabletten-einnahme erinnern lassen oder ihr persönliches Energiemanagement verwalten.
Alle kostenlosen Begleitprogramme bieten in der Regel einen MS-Schwesterndienst, telefonische Beratung, eine Servicehotline sowie Infobriefe und Themenbroschüren an. Sie werden unter anderem von Herstellern und spezialisierten Apotheken angeboten. Auch Krankenkassen investieren derzeit in die persönliche Therapiebegleitung, etwa unter dem Label »Gesundheitscoaching« – ein Service für chronisch Erkrankte, der sich angesichts der hohen, durch mangelnde Therapietreue verursachten Behandlungskosten rechnen wird.