Parkinson: Parkinson mit 40 (1/2)

Wie fühlt sich das Leben eigentlich an, wenn plötzlich Nervenzellen im Kopf zu sterben beginnen? Johannes aus Marburg weiß, davon zu erzählen.

Es kann sein, dass ich gleich seltsame Bewegungen mache. Das verlangt der Parkinson von mir«, pflegt Johannes seine Vorträge zu eröffnen. Sein Job handelt davon, kreativ zu sein, Fachkreise für neue Maßnahmen zu gewinnen, viel mit und vor Menschen zu sprechen. Der Sozialwissenschaftler engagiert sich regional gegen Kinderarmut. Eine Arbeit, die ihm am Herzen liegt – und ihm Tag für Tag ungeheure Kraft abverlangt: Die Krankheit ist keine Ausrede. Auch wenn ich mal Termine verpasse, weil ich mich nicht mehr gut bewegen kann, will ich weiter funktionieren, erklärt der 47-jährige Familienvater. Mit 38 begann bei ihm das Zittern, erst in der rechten Hand. Die Ärzte konnten sich das lange nicht erklären. Heute hält Johannes die ebenso sichtbaren wie belastenden Symptome des Parkinson mit 13 Pillen jeden Tag in Schach: Die Krankheit schreitet voran, das merke ich deutlich. Flexible Arbeitszeiten, ein speziell gestalteter Arbeitsplatz und viel entgegengebrachtes Verständnis machen es ihm möglich, seinen Beruf trotzdem zu schaffen.

Potentiale erkennen

Johannes sieht sich als Pendler zwischen zwei Welten. Nicht immer gelingt ihm der Übergang zwischen Parkinson-Welt und Normalität auf Anhieb: Da friere ich plötzlich auf der Türschwelle fest und alle schauen mich gebannt an. Mit großer Konzentration auf den nächsten Schritt vermag sich der Projektleiter aus der Bewegungsstarre zu befreien. Solche ausgeprägten Off-Phasen erlebt er manchmal zwei Mal pro Tag, vertuschen lässt sich da nichts. Wenn man Parkinson hat und sich nach außen öffnet, ist die Karriere vorbei. Man traut mir größere Aufgaben nicht mehr zu, ich bin außer Konkurrenz, musste Johannes feststellen – und definiert für sich persönlichen Erfolg deshalb neu: Ich konzentriere mich jetzt aufs Wesentliche und freue mich, wenn ich meinen Verdienst am Ende eines Arbeitstages wert gewesen bin. Vielleicht, fügt er hinzu, sei er mit seinem Berufsleben sogar zufriedener als vorher: Man darf einfach nicht zulassen, dass Frust einen depressiv macht.

Neue Lebenswerte

Praktische und moralische Unterstützung findet Johannes in Gesprächen mit seinem persönlichen Coach und in der von ihm geleiteten Marburger Selbsthilfegruppe der Deutschen Parkinson Vereinigung. Das sind für ihn Räume, in denen dann Parkinson, dieser Mann im Kopf Aufmerksamkeit findet. Auch seine Familie stehe nach manch schwerer Zeit hinter ihm, betont Johannes. Doch möchte er vor allem ein guter Vater und attraktiver Partner bleiben, Gejammer und sozialen Rückzug verbietet er sich selbst. Ich habe die große Gnade, dass meine Frau hartnäckig ist und das alles durchhält, schließt er leise. – Die bewegende Liebeserklärung eines Mannes, der es schafft, seiner unheilbaren Erkrankung neue Lebenswerte abzugewinnen.

Neues Selbsthilfe-Projekt am Start

Betroffene beraten Betroffene ist ein Projekt zur telefonischen Unterstützung jüngerer Parkinson-Patienten, das Johannes derzeit auf die Beine stellt. Bei Interesse leitet NTC Impulse (ntc-impulse@kuppekommunikation.de) ihre anfrage vertraulich weiter.