Psyche: Stress … oder doch schon Depression?
Seien es Antriebslosigkeit, Angst oder Schlafstörungen – viele für eine Depression typischen Symptome kommen auch bei chronischem Stress vor. Gibt es da einen Zusammenhang? Und wenn ja, was kann man tun?
Normalerweise ist Stress nicht krankhaft – wenn er nicht Überhand nimmt. Der Körper ist darauf vorbereitet und kann sich mithilfe verschiedener hormongesteuerter Prozesse dagegen wehren. Wichtig zu wissen ist, dass nicht nur die beruflichen Herausforderungen oder Aufgaben in der Familie Stress darstellen können, auch unerwartete Lebensereignisse, wie der Tod eines geliebten Menschen, eine plötzliche Trennung oder ein Jobverlust, sind für Körper und Seele stressig. Krankhaft kann es werden, wenn der Stress nicht adäquat abgebaut wird.
Körperliche Alarmbereitschaft
Wenn wir in eine Stresssituation geraten, wird die sogenannte Stress-(hormon)achse aktiviert: Im Zwischenhirn (Hypothalamus) wird der Botenstoff CRH (Kortikotropin-Releasing-Hormon) freigesetzt, der wiederum in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) die Freisetzung von Adrenokortikotropin (ACTH) bewirkt. Dies sorgt letztendlich in der Nebenniere für die Produktion des bekannten Stresshormons Kortisol. Steigt dieses im Blut an, reagiert der Körper mit erhöhtem Herzschlag und Muskelanspannung, um die vermeintliche Gefahrensituation durch vermehrte Aufmerksamkeit und gesteigerte Leistung zu meistern. Ist genug Kortisol vorhanden, wird die CRH-Produktion normalerweise eingestellt und der Körper »beruhigt« sich wieder. Wie Untersuchungen zeigen, stimuliert CRH zudem die Ausschüttung des Glückshormons Dopamin. Daran könnte es liegen, dass das Überwinden leichterer Stresssituationen sogar ein Glücksgefühl auslösen kann, mit dem sich der Körper belohnt.
Gestörte Reaktion
Für die Annahme, dass es sich bei Depression auch um eine Fehlanpassung an Stress handeln kann, spricht die neuere Erkenntnis, dass bei einigen an Depression erkrankten Patienten die Stressachse gestört, das heißt überaktiv ist – nachgewiesen durch eine dauerhaft erhöhte Menge an CRH im Nervenwasser in Gehirn und Rückenmark sowie an Kortisol im Blut der Betroffenen. Dies kommt einer Art Dauerstress gleich, verbunden mit für eine Depression typischen Symptomen. Und nicht nur die Kortisolbalance ist gestört, schwerer Stress stört wohl auch das Regulationssystem für das Dopamin: Es wird nicht länger ausgeschüttet, statt zu Wohlbefinden kommt es zu Unzufriedenheit und Abneigung. Auch an diesem Prozess ist CRH beteiligt. Dessen stark erhöhte Konzentration kann weiteren Untersuchungen zufolge zu depressionsähnlichen Beschwerden wie Ängstlichkeit, sozialem Rückzug und Appetitlosigkeit führen.
Mögliche Therapien
Noch ist nicht genau geklärt, warum die Reaktion des Körpers auf Stress bei den depressiven Patienten nicht in gleicher Weise funktioniert wie bei Gesunden. Da CRH allerdings sowohl bei der Stressachse als auch bezüglich der Stimulation weiterer Hirnstrukturen und Hormonproduktionen eine wichtige Rolle spielt, könnte hier eine entsprechende Therapie gegen Depressionen ansetzen. So befinden sich Medikamente in der Entwicklung beziehungsweise in der Erprobung, die eine nachgewiesene CRH-Überaktivität eindämmen, indem sie die Rezeptoren für das Hormon besetzen. Weitere Therapieoptionen sind zudem immer psychologische Behandlungen, wie die kognitive Verhaltenstherapie. Hier können behandelnder Arzt und Patient gemeinsam erarbeiten, durch welche Ereignisse oder in welchen Situationen der Betroffene besonders gestresst ist, welche Folgen das hat und wie er künftig am besten mit dem Stress umgeht. Nicht zuletzt sollte man so oft wie möglich versuchen, dem Stress entgegenzuwirken. Dazu zählen vor allem regelmäßige Erholungs- und Entspannungsphasen, gegebenenfalls auch mithilfe entsprechender Techniken, wie progressiver Muskelentspannung. Auch eine Lichttherapie, die häufig bei einer Winterdepression eingesetzt wird, könnte helfen. Durch das Licht wird wieder mehr stimmungsaufhellendes Serotonin produziert. Und generell gilt: Suchen Sie sich viele Dinge, die Ihnen Spaß machen – sei es Sport, Spazierengehen, Malen oder Lesen. Gut ist, was Ihnen gut tut!