Schmerz: Wenn es im Kopf pocht und hämmert

Wer kennt sie nicht: Kopfschmerzen. So vielfältig die Schmerzformen sind, so unterschiedlich können auch die Ursachen sein. Wie wichtig die Diagnose für die richtige Therapieform ist, erklärt NTC-Neurologe Dr. med. Andreas Peikert.

Neben sekundären Kopfschmerzen, die als Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung, wie einer Infektion oder einem Schädel-Hirn-Trauma, auftreten können, handelt es sich bei den primären Kopfschmerzen um ein eigenes Krankheitsbild. Dazu gehören Migräne, Spannungskopfschmerzen sowie die selteneren sogenannten trigeminoautonomen Formen, wie der Clusterkopfschmerz.

Gewitter im Kopf

Spannungskopfschmerz ist die häufigste Kopfschmerzform, die fast jeder schon mal erlebt hat. Die Schmerzen sind meist dumpf oder drückend. Dagegen zeichnet sich eine Migräne – eine neurogene Erkrankung mit Beteiligung der Gefäße im Kopf, unter der mehr Frauen als Männer leiden – häufig durch pulsierende Schmerzen aus, die sich bei körperlicher Anstrengung verschlimmern und den Tagesablauf beeinträchtigen.

Dazu können Übelkeit und Schwin-del kommen, einige Patienten leiden zudem unter einer so genannten Aura. Dies sind neurologische Symptome, die den Schmerzen vorausgehen können, wie Seh- und Wahrnehmungsstörungen, etwa Lichtblitze, Taubheitsgefühle am Körper oder Sprachprobleme. Sehstörungen oder Schwindel können aber auch ganz ohne Schmerzen vorkommen. Die Beschwerden erzeugen bei den meisten Betroffenen einen starken Leidensdruck, insbesondere wenn sie unter chronischer Migräne leiden. Diese liegt definitionsgemäß dann vor, wenn die Patienten über drei Monate mindestens 15 Kopfschmerztage im Monat haben, wovon mindestens acht Tage mit typischer Migräne sind. Dies kann zahlreiche Folgen haben. Die Betroffenen leiden häufiger unter Depressionen und Angststörungen, ziehen sich sozial zurück und vermeiden Aktivitäten – aus Angst vor der nächsten Schmerzattacke.

Nicht länger haltbar ist die jahrelange Annahme, dass es sich bei einer Migräne um eine Erkrankung, die als Folge von Stress oder Überforderung auftritt, oder gar um ein psychogenes Phänomen handelt. Heute weiß man, dass diese Kopfschmerzform eine genetisch bedingte Erkrankung ist. Wenn die entsprechende Veranlagung vorliegt, kann der individuelle Lebensstil der Betroffenen allerdings Einfluss auf die Kopfschmerzlast haben.

Seltenere, aber deshalb nicht minder belastende Kopfschmerzformen sind Clusterkopfschmerzen oder die Trigeminusneuralgie. Vom Clusterkopfschmerz sind mehr Männer betroffen, weshalb er manchmal auch Migräne des Mannes genannt wird. Die Betroffenen leiden unter Schmerzattacken, die einseitig sind und mehrmals täglich auftreten können. Diese Episoden können mehrere Wochen dauern. Am schlimmsten betroffen ist meist die Augenregion, neben den Schmerzen kommt es zu Rötungen des Auges und einseitigem Tränenfluss.

Eine Trigeminusneuralgie betrifft meist ältere Menschen. Die ebenfalls einseitig auftretenden Schmerzen gleichen heftigen Stromstößen im Gesicht und treffen die Betroffenen häufig wie ein Blitz ohne Vorwarnung. Auslöser sind durch Arteriosklerose härter werdende Blutgefäße, die auf den empfindlichen Trigeminusnerv am Hirnstamm drücken.

Wann zum Arzt?

Viele Betroffene scheuen sich, nur wegen Kopfschmerzen den Arzt aufzusuchen. Dennoch sollten sie diesen Schritt unbedingt gehen, um klären zu lassen, unter welcher Form von Kopfschmerz sie leiden, denn nur so kann ihnen gezielt geholfen werden. Vor allem die Sorge, sich gleich aufwendigen Diagnoseverfahren unterziehen zu müssen, ist unberechtigt. Gerade eine Migräne lässt sich bereits anhand einiger charakteristischer Merkmale diagnostizieren. Dazu müssen zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein:

  • Schmerzen sind halbseitig,
  • mittelstark bis stark,
  • pulsierend oder pochend und
  • sie verschlimmern sich bei normaler körperlicher Aktivität (etwa beim Treppensteigen).

Außerdem kann es zu Übelkeit, Appetitlosigkeit, Lärm- und / oder Lichtempfindlichkeit kommen. Liegen diese Beschwerden vor und dauern sie immer zwischen vier und 72 Stunden, steht die Diagnose Migräne so gut wie fest. Dennoch sollten generell bei jeder Kopfschmerzart andere Erkrankungen ausgeschlossen werden.

Auch wenn ein Schmerz plötzlich und zum ersten Mal oder an anderen Stellen des Kopfes als sonst auftritt oder bisher unbekannte Begleitsymptome mit sich bringt, ist ein Arztbesuch angeraten. Das Gleiche gilt für jeglichen Schmerz, der einen starken Leidensdruck erzeugt und die Lebensqualität des Betroffenen erheblich mindert. Je nach Schmerzform sind gegebenenfalls weitere Diagnosemaßnahmen notwendig, wie Blut- oder Nervenwasseruntersuchungen oder bildgebende Verfahren, wie eine Kernspintomografie.

Mögliche Ursachen

Kopfschmerzen können zahlreiche Gründe haben. Dazu zählen in erster Linie natürlich körperliche Ursachen, wie die genetische Veranlagung bei Migräne oder die Gefäßveränderungen bei der Trigeminusneuralgie. Dazu kommen aber häufig sogenannte Trigger, also Faktoren, welche die Schmerzen je nach Situation oder Verhalten auslösen. So können unter anderem unregelmäßiges Schlafen und unregelmäßige Ernährung, bei Frauen Hormonschwankungen während des Zyklus, Kiefer- oder Zahnfehlstellungen, Fehlhaltungen (etwa beim Arbeiten), Wetterwechsel und natürlich immer auch Stress zu Kopfschmerzen führen.

Warum eine akute Migräne chronisch werden kann, ist noch nicht genau bekannt. Begünstigt wird die Chronifizierung jedoch durch eine Vorbelastung mit Kopfschmerzen, durch hohen Schmerz- und Migränemittelkonsum, auch Depressionen und Ängste, Übergewicht und Stress mit ständigen Überforderungsgefühlen.

Effektiv behandeln

Man kann den Betroffenen aber Mut machen: Inzwischen gibt es gegen fast alle Kopfschmerzformen effektive Behandlungsoptionen. Leidet man beispielsweise unter gelegentlich auftretenden leichten bis mittelstarken Spannungskopfschmerzen, ist meistens die Einnahme freiverkäuflicher Schmerzmittel, wie Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Paracetamol, erste Wahl.

Bei akuter Migräne und auch bei Clusterkopfschmerzen hilft die Wirkstoffgruppe der Triptane. Hier kann die Zubereitungsform wichtig sein (Tablette, Zäpfchen, Nasenspray, Selbstinjektion in die Haut). Einige dieser Präparate sind inzwischen auch ohne Rezept in der Apotheke erhältlich. Dennoch sollte jeder Kopfschmerz-Patient zumindest ein Mal beim Arzt Art und Intensität der Schmerzen abklären lassen, um gemeinsam die richtige Behandlungsform zu finden.

Überraschend ist, wie häufig auch heute noch Migräne nicht erkannt wird und die Behandlung daher unzureichend bleibt. Auch die Möglichkeiten einer medikamentösen Prophylaxe bei häufigen Attacken werden oft nicht genutzt. Außerdem sollte – bei allen Kopfschmerzarten – darauf geachtet werden, die Selbstmedikation nicht eigenmächtig zu übertreiben. Denn auch ein übermäßiger Schmerzmittelgebrauch kann zu Kopfschmerzen führen. Diese medikamenteninduzierten Schmerzen sind meist dumpf und drückend, bei Migräne-Patienten können die Schmerzattacken zunehmen. Generell gilt: Schmerzmittel – egal ob vom Arzt verordnet oder frei in der Apotheke erworben – nicht häufiger als an zwei Tagen pro Woche und an zehn Tagen pro Monat einnehmen. Sind die Attacken häufiger, sind meist vorbeugende Medikamente sinnvoll.

Zudem sollten Betroffene nicht den Fehler machen, bei starken Schmerzen mit einem leichten Mittel anzufangen, in der Hoffnung, dass dies hilft, und erst bei ausbleibender Wirkung auf stärkere Präparate zurückgreifen. Stattdessen sollte bereits beim ersten Schmerz ein ausreichend starkes Mittel genommen werden, von dem eine effektive Wirkung bekannt ist.

Hilfreiche Eingriffe

Bei chronischer Migräne können der Wirkstoff Topiramat sowie eine Behandlung mit Botolinumtoxin vorbeugend wirken. Das Nervengift wird in extrem verdünnter Form in die Kopf- und Nackenmuskulatur gespritzt, wodurch es seltener zu Schmerzattacken kommt. Studien zufolge wird die Häufigkeit der Kopfschmerztage in etwa halbiert. Ist eine chronische Migräne ärztlich diagnostiziert, werden die Kosten dieser Behandlung von der Krankenkasse übernommen.

In schweren Kopfschmerz-Fällen können auch Nervenstimulationsverfahren am Occipitalnerven im Nacken oder am Ganglion sphenopalatinum, einem Nervenknoten im Gesicht, in Betracht gezogen werden. Dabei sendet ein kleines schrittmacherähnliches Gerät elektrische Impulse an die Nervenstrukturen. Bei der Trigeminusneuralgie und auch beim Clusterkopfschmerz helfen keine normalen Schmerzmittel. Wichtiger als die Attackenbehandlung ist die Verhinderung der Schmerzen mit Substanzen wie Carbamazepin oder Verapamil. Die Trigeminusneuralgie kann operativ behandelt werden. Bringen die Medikamente keine Besserung, kann ein Eingriff helfen, bei dem ein Polster als Puffer zwischen den Nerv und das schmerzauslösende Gefäß gesetzt wird. Für ältere Patienten, die sich keiner Operation mit Vollnarkose mehr unterziehen möchten oder dürfen, bleibt zudem die Möglichkeit, einen Teil der Nervenstruktur durch einen gezielten Eingriff zu veröden. Dieser ist ohne Vollnarkose möglich.

Entspannen Sie sich

Bei chronischen Kopfschmerzen können oftmals auch seelische Aspekte eine Rolle spielen, insbesondere wenn Stress, Anspannung, Ängste oder Sorgen den Alltag bestimmen. Aus diesem Grund kann ergänzend zu medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten auch eine Psychotherapie hilfreich sein. Gemeinsam mit dem Therapeuten kann der Patient herausfinden, in welchen Situationen seine Kopfschmerzen besonders häufig auftreten oder stärker sind als sonst. Anschließend kann erarbeitet werden, wie der Betroffene diese Situationen künftig verhindern oder besser meistern kann, um den Schmerzen vorzubeugen.

Ebenfalls gut für das allgemeine Wohlbefinden und damit auf eine Abnahme von Schmerzattacken kann sich Sport, vor allem Ausdauersport, auswirken. Dabei reicht es bereits, sich drei Mal pro Woche etwa eine halbe Stunde intensiv körperlich zu betätigen, beispielsweise mit Laufen, Schwimmen oder Radfahren. Zum Stressabbau eignen sich zudem Yoga und Entspannungsverfahren, wie Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung.

Weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite der Deutschen Migräne und Kopfschmerzgesellschaft unter .

Dr. med. Andreas Peikert
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Bremen