Demenz: Risikofaktoren minimieren

Zwar ist eine Demenz nicht heilbar, dennoch kann man das Erkrankungsrisiko senken, wenn mögliche Vorerkrankungen frühzeitig erkannt und effektiv behandelt werden. Dass dies insbesondere für Diabetes mellitus und Schlaganfall gilt, erklärt NTC-Neurologe Dr. Carsten Schumann.

Herr Dr. Schumann, warum stellt eine Diabetes-Erkrankung einen Risikofaktor für Demenz dar?

Je länger ein Diabetes mellitus besteht und je schlechter er eingestellt ist, umso höher ist das Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Die Blutzucker-Erkrankung begünstigt einerseits das Auftreten von Gefäßkrankheiten und damit einer vaskulären Demenz, anderseits die neuropathologischen Veränderungen der Alzheimer-Demenz. In den vergangenen Jahren wurden diese Prozesse immer besser verstanden. Durch die erhöhten Blutzuckerspiegel kommt es zu einer Störung der Mitochondrien, also den Kraftwerken der Zellen. Außerdem wird der Abbau von pathologischen Eiweißablagerungen, dem sogenannten Beta-Amyloid beeinträchtigt, da Insulin und Beta-Amyloid um das gleiche abbauende Enzym konkurrieren. Wie negativ sich dieser gestörte Zuckerstoffwechsel auf Gehirn und Nervenzellen und somit auch auf die kognitive Leistung auswirken kann, zeigt eine aktuelle Untersuchung. Demnach wurde bei Diabetes-Patienten eine deutliche Verkleinerung des Hippocampus nachgewiesen, einer Gehirnregion, die quasi das Tor in unser Gedächtnis darstellt.

Inwieweit steigt das Risiko für eine Demenz auch nach einem Schlaganfall?

Eine Demenz nach einem Schlaganfall ist häufig. Drei Monate nach dem Ereignis leidet jeder fünfte Patient an einer Demenz. Das weitere Risiko pro Jahr liegt bei etwa drei Prozent. Dabei sind die initialen neurologischen Einschränkungen durch den Schlaganfall von untergeordneter Bedeutung. Auch werden häufig kleinere Schlaganfälle, zum Beispiel aufgrund einer unzureichend behandelten Bluthochdruck-erkrankung, von den Betroffenen nicht bemerkt. Erst in ihrer Summe führen sie dann zu einer Demenz.

Welche weiteren Krankheiten oder Faktoren können das Demenzrisiko erhöhen?

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Risikofaktor für Demenzen ist der Bluthochdruck. Oftmals liegt er einem Schlaganfall zugrunde und kann – erstrecht in Verbindung mit einem Diabetes – das Risiko für eine vaskuläre Demenz erhöhen. Ähnliches gilt für Herzrhythmusstörungen, insbesondere das mit zunehmendem Alter häufiger vorkommende sogenannte Vorhofflimmern, wodurch ebenfalls das Schlaganfall- und somit das Demenzrisiko steigt. Häufig wird das Vorhofflimmern von den Betroffenen nicht bemerkt, zum Teil wird es als ein Herzstolpern wahrgenommen. Generell könnte man sagen, dass alle Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen früher oder später zu einer Demenz führen können und daher nicht voneinander abgegrenzt werden dürfen, sondern im Ganzen betrachtet werden müssen.

Dazu kommt noch ein genetisch bedingtes Risiko, an einer Alzheimer-Demenz zu erkranken. Es sind mittlerweile zahlreiche Risikogene identifiziert worden, die für die Routinediagnostik jedoch keine Rolle spielen. Vereinfacht lässt sich sagen, je näher ein von Demenz Betroffener im Verwandtschaftsverhältnis steht und je jünger der Patient zu Beginn der Erkrankung war, desto höher ist das Risiko, selbst an Demenz zu erkranken.

Wie wichtig sind Diagnose und Therapie der Vorerkrankungen?

Alle Erkrankungen und Risikofaktoren sollten möglichst früh diagnostiziert und insbesondere auch optimal behandelt werden, um das Risiko für Spätfolgen, wie eine Demenz, minimieren zu können. Beim Diabetes bedeutet dies eine sehr gute Einstellung des Blutzuckerstoffwechsels. Die Verbesserung des Blutzuckerspiegels und das Vermeiden von Blutzuckerspitzen reduziert das Risiko für Gefäß- und Nervenschädigungen. Auch Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen müssen unbedingt behandelt und regelmäßig kontrolliert werden. Der Neurologe kann durch geeignete Schlaganfall-Vorsorgeuntersuchungen, beispielsweise per Ultraschall der hirnversorgenden Gefäße oder der Screeninguntersuchung auf Vorhofflimmern, das individuelle Risikoprofil abschätzen und mit dem Patienten geeignete Maßnahmen besprechen.

Welche Rolle spielt bei alledem der Lebensstil?

Seien es Diabetes, Schlaganfall oder Bluthochdruck – nicht selten liegt diesen Krankheiten ein ungesunder Lebensstil zugrunde. So erhöhen insbesondere Übergewicht, fehlende körperliche Aktivität, falsche Ernährung, Rauchen und auch Stress das Risiko für die genannten Gefäß- oder Stoffwechsel-erkrankungen und damit letztendlich auch das Risiko für eine Demenz. Die Alzheimer-Demenz beginnt etwa 20 bis 30 Jahre, bevor sie sich klinisch bemerkbar macht. Die Weichen bezüglich des Lebensstils müssen also frühzeitig gestellt werden. Die heute 30- bis 40-Jährigen können das Risiko durch gesunde Ernährung und Sport sowie durch das Vermeiden von Genussgiften reduzieren. So ist zum Beispiel inzwischen bekannt, dass Ausdauersport die Produktion neuer Nervenzellen in relevanten Gedächtnisregionen des Gehirns ankurbelt.