Schmerz: Stell dir vor, die Sonne geht auf

Auf Stress und Anspannung reagiert der Körper häufig mit Kopfschmerz. Wenn Schmerzmittel dann nicht mehr helfen, ist das Biofeedback-Training einen Versuch wert.

Das Aha-Erlebnis kommt mit der geballten Faust. Ellen Kamman* beobachtet, wie erst ihre Fingerknöchel und dann die ganze Hand blass und kalt werden. Ein unangenehmes Ziehen kriecht bis zum Ellenbogen hoch. Auch als sich der Gummiball aus ihrer Faust löst, bleiben die Finger erst einmal verkrampft. – So wie ihre Hand fühle sich ihr Kopf andauernd, erklärt der Schmerztherapeut. Denn immer, wenn sich Muskeln länger verspannen, wird der Blutfluss gestört und dadurch das Gewebe mangelhaft versorgt. Betrifft es die Muskeln in Schultern und Nacken, sendet der Körper als Warnsignale einen dumpfen Schmerz, der vom Hinterkopf bis zur Stirn ausstrahlen kann und auf Dauer zu noch mehr Verspannung führt.

Ständiger Druck im Kopf

Daher also rührt dieses zermürbende Gefühl vom »Schraubstock im Schädel«, das trotz täglichen Schmerztabletten nicht mehr abklingen will. Das konzentrierte Arbeiten ist für die Bürokauffrau zur Qual geworden, der ständige Druck im Kopf macht sie müde und lustlos. Spannungskopfschmerz nennen Mediziner dieses oft diffuse Syndrom, das auch chronisch werden kann – erst recht durch ein Zuviel an Schmerzmitteln. Häufigste Auslöser sind Stress oder ein verspannter Nacken. Kritisch wird es, wenn der Schmerz etwa acht Mal pro Monat wiederkommt. Dann sollte die Diagnose eines Neurologen oder eines spezialisierten Schmerztherapeuten eingeholt werden, erklärt Prof. Dr. Andreas Straube vom Kopfschmerzzentrum der Uniklinik München. Bei Ellen Kamman ist der Spannungskopfschmerz geblieben. Oft helfen dann nur noch Antidepressiva in Verbindung mit Entspannungstherapien, vielleicht auch Akupunktur.

Mit der Kraft der Gedanken

Gute Erfolge zeigt immer häufiger das Biofeedback oder auch Neurofeedback genannt. Bei dieser wissenschaftlich anerkannten Methode lassen sich autonome Körperfunktionen willentlich beeinflussen, wie die Körperwärme. Sensoren an den Fingerkuppen messen punktgenau die Temperatur der Haut. Auf einem Bildschirm werden die Werte veranschaulicht. Stellt sich die Patientin zum Beispiel vor, wie die »Sonne aufgeht«, weiten sich tatsächlich die peripheren Blutgefäße, die Finger erwärmen sich und die Sonne auf dem Bildschirm wandert nach oben. Durch diese optische Rückmeldung oder »Feedback» lernt die Patientin, die eigene Temperatur selbst zu steuern, dadurch für eine bessere Durchblutung und eine bewusste Entspannung zu sorgen: Das Stressniveau lässt sich dauerhaft vermindern. Nach mehreren Sitzungen kann das Training auch zu Hause durchgeführt werden. Bei der Hälfte aller mit Biofeedback Behandelten lässt der Spannungskopfschmerz deutlich nach oder klingt ab.

Die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) bescheinigt der Biofeedback-Therapie daher eine ebenso große Wirksamkeit wie einer medikamentösen Behandlung. Durchgesetzt hat sie sich aber noch nicht. Seit Neuestem erklärt sich zu-mindest eine gesetzliche Krankenkasse bereit, die Kosten für diese ergänzende und vorbeugende Schmerztherapie in einem Modellprojekt zu übernehmen.