Schmerz: Sanfte Waffen gegen chronischen Schmerz

Einer aktuellen Umfrage zufolge glaubt ein Viertel aller Befragten, dass chronische Schmerzen psychische Ursachen haben. Ob dem so ist und warum vielfältige Behandlungsansätze richtig sind, erklärt Neurochirurg Prof. Dr. med. Jan Vesper, Düsseldorf.

Herr Professor Vesper, warum werden für chronische Schmerzen oft psychische Ursachen verantwortlich gemacht?

Das Problem ist, dass man chronische Schmerzen nur schwer einordnen kann. Je nach Schmerz und Dauer können die Ausführungen der Patienten vermuten lassen, dass ein psychisches Problem tatsächlich für die Schmerzen mit verantwortlich ist. Fest steht aber, dass es keinen Schmerz ohne einen körperlichen Auslöser gibt.

Warum bleibt der Schmerz, auch wenn der körperliche Auslöser weg ist?

Normalerweise sollte die Behandlung von akuten Schmerzen zu einer Besserung führen. Bei vielen aber bleiben durch eine Verletzung oder eine dauerhafte Fehlhaltung des Körpers Schäden zurück – entweder an den Nerven oder am Schmerz-verarbeitenden Zentrum im Gehirn. Das kann dazu führen, dass sich die Wahrnehmung des Schmerzes ändert. Es handelt sich um eine Art Fehlinformation, die von den Nerven an das Gehirn gesendet wird: Die Ursache ist zwar behoben, aber der Schmerz ist noch da. Und je länger dieser dauert und Hilfe ausbleibt, desto stärker können die psychischen Auswirkungen werden. Häufig leiden Schmerzpatienten unter Depressionen.

Wie kann hier eine Schmerztherapie ansetzen?

Da man die geschädigten Nerven und somit den Auslöser für den chronischen Schmerz meistens nicht behandeln kann, bekommen zwei Therapiebausteine einen wichtigen Stellenwert: Zum einen die Behandlung des Schmerzes mit wirksamen Medikamenten. Zum anderen sollte man eine psychotherapeutische Behandlung in Betracht ziehen, um zu lernen, wie man mit dem Schmerz umgehen und ihn vermindern kann. Und auch wenn es nicht direkt etwas mit der Schmerztherapie zu tun hat, sollten Betroffene Unterstützung dabei erhalten, die Auswirkungen des Schmerzes auf den privaten und beruflichen Alltag zu verarbeiten.

Worauf kommt es bei der Behandlung an?

Bei einer multimodalen, also ganzheitlichen Behandlung, wird beachtet, dass Körper und Psyche zusammenhängen und sich auch gegenseitig beeinflussen können. Wichtig ist, dass der Patient dieses Prinzip nachvollzieht und daran mitarbeitet, den chronischen Schmerz zu bekämpfen. Neben Schmerzmedikation und Psychotherapie können dabei auch physiotherapeutische Übungen und Entspannungstechniken helfen. Außerdem haben wir gute Erfahrungen mit der Neuromodulation gemacht.

Wie funktioniert die Neuromodulation?

Es handelt sich um ein Verfahren, das an der Weiterleitung des Schmerzes zum Gehirn ansetzt. Schmerzen werden – wie auch positive Sinnesreize – zunächst im Rückenmark verschaltet. Ziel ist es, die Vermittlung von Fehlinformationen zu unterbinden, indem schwache elektrische Reize an entsprechende Stellen im Rückenmark gesendet werden. Diese Behandlung mit hochfrequentem Strom spürt man kaum. Sie reicht aber aus, um die Weiterleitung des negativ empfundenen Reizes zum Gehirn zu unterbrechen. Da das dafür notwendige Gerät, das mittels kleiner Operation unter die Haut verpflanzt wird, ähnlich wie ein Herzschrittmacher im Dauerbetrieb ist, kann es gelingen, das Schmerzempfinden dauerhaft zu unterdrücken. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Psyche aus. ag

Prof. Dr. med. Jan Vesper
Universitätsklinik Düsseldorf