Polyneuropathien: Wunderwerk Nerven
Ist ein Nerv durch einen Unfall oder eine Erkrankung geschädigt, sind nerveneigene Zellen in der Lage, den Schaden zu reparieren. Können hier künftige Therapien ansetzen?
Geschädigte Nerven im Peripheren Nervensystem (PNS), also auch in Armen und Beinen, können viele Gründe haben. Neben Unfällen zählen dazu Polyneuropathien. Diese können erblich bedingt, autoimmunologisch entzündlich oder durch Viren, Medikamente oder eine Diabeteserkrankung verursacht sein. Bei allen Schädigungen sind wichtige Strukturen der Nerven – zum einen die Verbindungen zwischen den Nervenzellen (Axone), zum anderen die isolierende Myelin-Schutzschicht – angegriffen und zerstört. Dies kann unter anderem Symptome wie Kribbeln in den Extremitäten oder Taubheitsgefühle bis hin zu Lähmungen zur Folge haben.
Selbstreparatur möglich
Selbst wenn die Ursache für die Nervenschäden behoben, das heißt, die Grunderkrankung geheilt oder eine Unfallverletzung erfolgreich operiert wurde, können die Nerven weiterhin zerstört sein und damit verbundene Beschwerden andauern
, sagt Prof. Dr. Patrick Küry, Zellbiologe an der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf. Aber er weiß auch, dass es sich bei Nerven um wahre Wunderwerke handelt. Im PNS gibt es spezielle Zellen, die Schwann’schen Zellen, die Myelin produzieren, um so eine Schutzschicht um die Nervenleitungen aufzubauen und die elektrische Kommunikation zwischen Nervenzellen zu beschleunigen. Darüber hinaus konnte in aktuellen Untersuchungen gezeigt werden, dass diese Zellen im Fall eines Nervenschadens eine besondere Rolle einnehmen, indem sie sich in einen Reparatur-vermittelnden Zelltyp umwandeln. Dadurch können diese Zellen eine Regeneration der betroffenen Nervenstrukturen veranlassen und zur Wiederherstellung der Nervenfunktionen beitragen.
Unterstützung kann helfen
So spannend diese nerveneigenen Fähigkeiten sind, so interessant ist es zu prüfen, inwieweit man den Selbstheilungsprozess unterstützen und gegebenenfalls durch Therapien beschleunigen kann. Hierzu gibt es neue Studienergebnisse
, so Prof. Küry. Wir konnten zeigen, dass Immunglobuline die Schwannzellen bei ihrer Reparaturarbeit unterstützen. Neben einem beschleunigten Zellwachstum und einer verbesserten Myelinproduktion werden die Zellen durch die Immunglobuline dazu angeregt, vermehrt den Botenstoff Interleukin-18 herzustellen, der wiederum die Bildung neuer Axone fördert.
Doch für Prof. Küry ist ein Durchbruch in der Neurotherapie noch nicht in Sicht: Wir stehen ganz am Anfang der Untersuchungen. Bis wir Patienten mit Nervenschäden helfen können, wird es noch einige Jahre dauern.
Dazu kommt, dass selbst eine durch Immunglobuline unterstützte Heilung von Nerven in der Regel sehr lange dauert, so der Experte. Dennoch machen die Ergebnisse Hoffnung auf Behandlungsmöglichkeiten. ag