Psyche: Trauer am Arbeitsplatz

Wenn Kollegen sterben, bleiben erschütterte Menschen im Betrieb zurück. Nur ist dort für Trauer kaum Platz. Wie kann es dennoch gelingen, Mitarbeitern und ihrem seelischem Schmerz, den Tod und schwerer Verlust auslösen können, gerecht zu werden?

Es war auf einer gemeinsamen Geschäftsreise in Italien, als die 38-jährige Kollegin einen tödlichen Herzinfarkt erlitt. Andreas K., Projektleiter in der Flugzeugindustrie erinnert sich: Ich fühlte mich völlig überfordert, funktionierte aber wie gewohnt weiter. Ihm fiel die Aufgabe zu, die Familie der Kollegin zu benachrichtigen, dann die Vorgesetzen und Geschäftspartner zu informieren. Ebenso kümmerte er sich vor Ort um die Formalitäten der Überführung des Sargs. Für ihn war es wie ein Albtraum. Aber einen Kollegen durch unerwartete Umstände zu verlieren, kann im Grunde jedem passieren. Denn jedes Jahr sterben der Statistik zufolge mehr als 135.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter. Unfall, Herzkrankheiten und Suizid sind die häufigsten Gründe dafür, dass Mitarbeiter plötzlich aus dem Leben scheiden.

Professionelle Hilfe

Zurück am Arbeitsplatz in Hamburg fühlt sich Andreas erschöpft. Für den Trauerfall hatte niemand einen Plan zur Hand. Wir sind hier auf Effizienz und Präzision gepolt, sagt der junge Manager. Im Umgang mit Tod und Trauer gibt es kein fertiges Konzept, erklärt Annika Schlichting, wichtig ist, rasch aus der Ratlosigkeit herauszukommen und Mitarbeitern Raum für persönliche Gespräche anzubieten. Die ausgebildete Trauerbegleiterin arbeitet in der Hamburger Beratungsstelle Charon, die neben Einzelberatungen und Schulungen auch Krisenintervention in Unternehmen anbietet. Nach dem Anruf der Personal- abteilung trifft sie sich mit Andreas und seinem Team. Wir haben in Ruhe über den Tod der Kollegin gesprochen. Jeder konnte seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Das Team entschied sich dafür, einen Gedenktisch für Blumen und Briefe aufzustellen, berichtet Annika Schlichting.

Trauer zulassen

Rituale des Abschieds, ebenso wie das Angebot, das Arbeitspensum vorübergehend zu verringern, all das drücke Wertschätzung des Arbeitgebers gegenüber den Mitarbeitern aus und zähle zur betrieblichen Gesundheitsvorsorge, sagt Dr. med. Iris Hauth, Chefärztin für Psychiatrie am St. Joseph-Krankenhaus in Berlin. Berufsfahrer, Dachdecker – oder wie unlängst die Piloten von Germanwings – haben sogar das Recht auf eine Auszeit, um Arbeitsunfällen vorzubeugen und andere nicht zu gefährden. Trauernden fällt es schwer, sich zu konzentrieren, manche ziehen sich zurück und fühlen sich gereizt, erklärt Dr. Hauth. Sie hält es für wichtig, auch am Arbeitsplatz angemessen mit Schmerz und Leid umzugehen: Wird die Trauer unterdrückt, kann sie krank machen. Denn wenn es keine Möglichkeit gibt, über seelische Schmerzen zu sprechen und Gefühle zu äußern, kann sich eine Depression entwickeln. Gleichzeitig warnt sie davor, eine gesunde Trauerreaktion mit Antidepressiva zu behandeln. In den USA ist es nach den neuen Leitlinien zulässig, Trauer nach zwei Wochen medizinische zu therapieren, hierzulande wird das heftig diskutiert. In Hamburg erinnert heute, viele Monate nach dem Tod der Kollegin, ein Gruppenbild an die gemeinsamen Erfolge. Andreas K. hält fest: Es hilft sehr, wenn ein Unternehmen weiß, dass es sich im Notfall professionelle Hilfe holen kann. kb