Epilepsie: Die Balance finden

Medikamente, die epileptische Anfälle verhindern, haben oft starke Nebenwirkungen. Wenn der Alltag nicht mehr zu schaffen ist, kann eine geringere Dosis oder ein Wechsel der Therapie die Lösung sein.

Kopfschmerzen, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche sind die häufigsten Probleme, mit denen Epilepsiepatienten zu kämpfen haben. Manche können sich diesen täglichen Kampf überhaupt nicht leisten. In einem Internetforum klagt eine betroffene Mutter: Ich habe vier Kinder und mit Medikamenten schaffe ich es nicht. Sie erhält große Zustimmung von Menschen, denen es ähnlich geht.

Herr Dr. Dieterle, was sagen Sie Patienten, die mit der Therapie nicht klarkommen?

Ganz einfach: Wenn Antiepileptika zur Folge haben, dass man den Alltag nicht mehr bewältigen kann, eignen sie sich nicht. Unverträglichkeiten machen es notwendig, die Dosis anzupassen oder das Medikament umzustellen, um die gewünschte Anfallsfreiheit zu erreichen. Wer Anfälle riskiert, belastet womöglich zu sehr die Familie.

Gibt es Alternativen?

Ja, es steht eine große Bandbreite an Wirkstoffen zur Verfügung, sowohl für generalisierte als auch für fokale Epilepsien. Nur lässt sich leider nicht im Voraus sagen, wer was gut verträgt. Ein und dieselbe Therapie raubt manchen Patienten die Energie und anderen überhaupt nicht. Da braucht es manchmal Geduld, bis eine gute Lösung gefunden ist. Langsames Eindosieren gibt Patienten die Chance, sich an den neuen Wirkstoff zu gewöhnen, und erhöht die Verträglichkeit. Unerwünschte Wirkungen bessern sich häufig nach kurzer Zeit.

Mindern Antiepileptika immer die Lebensqualität?

Die Wirkmechanismen von Antiepileptika sind unterschiedlich. Barbiturate hemmen allgemein die Aktivität der Nervenzellen und machen häufig müde. Dennoch kommen viele Patienten damit nach einer Gewöhnungsphase gut zurecht. Allgemein besser verträglich sind Medikamente wie Lamotrigin oder Lacosamid, welche die Membrane der Nervenzellen stabilisieren.

Ab wann sind Nebenwirkungen nicht mehr erträglich?

Das kann nur der Patient selbst entscheiden. Antiepileptika müssen über eine lange Zeit eingenommen und deshalb gut vertragen werden. Bei hohen Dosierungen hilft es oft schon, die Einnahme umzuverteilen. Ziel ist es immer, die niedrigste wirksame Dosis zu finden.

Darf man die Dosis selbst verringern?

Manchmal kommt es vor, dass bei akuter Vergiftungserscheinung die Dosis spontan verringert werden muss. Die vertrauensvolle Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ist aber immer die beste Lösung. Mir ist es wichtig, dass Patienten ihrer Therapie treu bleiben können. Mit Druck erreicht man das nicht.

Gibt es gute Gründe, eine Therapie zu beenden?

Es gibt Epilepsieformen, bei denen das Absetzen der Medikamente einen Versuch wert ist. Wenn ein Patient drei Jahre anfallsfrei geblieben ist, kann man probieren, die Medikamente langsam auszuschleichen. Allerdings kann es dabei zu erneuten Anfällen kommen.Deshalb darf man in den ersten drei Monaten ohne Medikamente zum Beispiel nicht Auto fahren. Das Absetzen von Antiepileptika muss also immer auch in die Lebensgestaltung passen. kb

Dr. med. Lienhard Dieterle
Neurologe, Ravensburg