chronisch krank: Botschafterin mit Kämpferherz
Fröhlich und selbstbewusst moderiert Kim Denise Hansmann das Jugendmagazin Yoin
. Es wendet sich an junge Menschen mit und ohne Handicap. Was es heißt, dauerhaft krank zu sein, weiß die 19-Jährige seit ihrer Kindheit.
Es ist kurz vor ihrem neunten Geburtstag. Kim wacht morgens auf und spürt ihre rechte Hand nicht mehr. Die Oma, die sie geweckt hat, glaubt, dass ihr Enkelkind in der Nacht falsch gelegen hat. Die Mutter ist nicht da. Sie hat Multiple Sklerose und liegt für längere Zeit im Krankenhaus. Drei Wochen später steht fest: Kim hat keine harmlosen Taubheitsgefühle, sondern die gleiche Krankheit wie ihre Mutter. Für meine Eltern war das ein großer Schock. Ich selbst war zu jung, um zu begreifen, was die Nachricht für mich bedeutet
, sagt Kim.
Ausgrenzung in der Schule
Bei Kim stellen die Ärzte eine schubförmige Form der Multiplen Sklerose fest. Als die Krankheit das zweite Mal aufflammt, geht sie in die fünfte Klasse. Kim wird für einige Wochen stationär aufgenommen und als sie wieder in ihre Klasse zurückkehrt, ist sie eine Außenseiterin. Die Schulkameraden haben in der Zwischenzeit neue Freundschaften geschlossen, es haben sich feste Cliquen gebildet und Kim gehört nirgends dazu. Vorwürfe, sie habe nur geschwänzt und sei ja gar nicht krank, machen sie sehr traurig. Als sie schließlich die Klasse wechseln möchte, eskaliert die Situation. Ihre Eltern und der Hausarzt beschließen, Kim ein halbes Jahr aus der Schule zu nehmen. Anschließend geht sie zusammen mit der einzigen verbliebenen Freundin auf eine neue Schule.
Akzeptanz und Aufklärung
Ein zweiter Schulwechsel wird nötig sein, damit Kim endlich von ihrem Umfeld akzeptiert wird. Mit ihren 13 Jahren steckt sie zu der Zeit mitten in der Pubertät. Sie möchte zu den coolen Kids gehören. Zu Hause und in der Schule ist sie manchmal zickig, wie sie rückblickend eingesteht. Dennoch: Die Lehrer sind von ihren Fähigkeiten überzeugt und die Mitschüler wählen sie zur Klassen- und schließlich zur Schulsprecherin. Kim kümmert sich gern um die Interessen von Kindern und Jugendlichen. Gleichzeitig beginnt sie, sich verstärkt mit der eigenen Krankheit auseinanderzusetzen und ihr Umfeld darüber aufzuklären.
Starker Zusammenhalt in der Familie
Auch daheim ist Kim gefordert. Der Mutter geht es zunehmend schlechter. Sie erblindet mehrere Male vorübergehend und ist schließlich auf den Rollstuhl angewiesen. Der Pflegedienst kann nur die nötigsten Dinge übernehmen. So kümmert sich Kim um ihren jüngeren Bruder und erledigt gemeinsam mit dem voll berufstätigen Vater den Haushalt. Ich habe schon früh mit anpacken müssen. Dadurch bin ich schnell selbstständig geworden
, sagt Kim. Die Eltern, insbesondere der Vater, stellen strenge Regeln auf, haben aber auch viel Vertrauen in die Tochter. Das gilt sowohl für den Discobesuch am Wochenende als auch für den Umgang mit ihrer Krankheit.
Kim gilt als 50 Prozent schwerbehindert, ihre Lehre als Bürokauffrau musste sie wegen langer Ausfallszeiten abbrechen. Neben der Suche nach einem neuen Ausbildungsplatz kümmert sich die heute 19-Jährige nach wie vor jeden Tag um ihre Mutter.
Engagement für andere
Ihren Eltern sei es immer wichtig gewesen, dass sie eine starke Persönlichkeit entwickle, sagt Kim. Seit 2014 moderiert sie das TV-Format Yoin
für junge Menschen mit und ohne Handicap, das vierteljährlich auf Sport1 ausgestrahlt wird. Zusätzlich ist sie Botschafterin der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, hat eine eigene Internetseite und eine Selbsthilfegruppe für Kinder und Jugendliche mit MS auf Facebook gegründet. Die Rechte von Schwerbehinderten sind mir ein besonderes Anliegen
, sagt die junge Frau. Sie möchte jungen Menschen zeigen, dass man trotz einer schweren Krankheit selbstbewusst und glücklich durchs Leben gehen kann. Kim: Dafür lohnt es sich zu kämpfen.
ak