Multiple Sklerose: Mehr Lust zu zweit

Zärtlichkeit empfangen, Lust spenden – gemeinsame Intimität wünschen sich Frauen und Männer jeden Alters. Was aber tun, wenn die MS das Liebesleben stört?

Sie könnte die schönste Nebensache der Welt sein. Ein ungetrübter Genuss ist die körperliche Liebe aber nicht immer. Erst recht nicht, wenn Multiple Sklerose im Spiel ist. Denn die Erkrankung des zentralen Nervensystems kann sich direkt oder indirekt auf das Sexualleben auswirken. Das passiert sogar ziemlich häufig: Bis zu 80 Prozent der MS-Patienten sind betroffen, schätzt der Ulmer Neurologe Dr. Anselm Kornhuber und stützt sich dabei auf eine schriftliche Umfrage bei über vierhundert Teilnehmern aus NTC-Praxen.Internationale Studien bestätigen diesen hohen Anteil und benennen die gleichen Schwierigkeiten.

Was am meisten stört

Männer haben häufig körperliche Probleme. Dazu zählen Erektionsstörungen, Unbeweglichkeit und vermindertes Lustempfinden. Mangel an sexueller Lust kennen auch viele von MS betroffene Frauen. Bei ihnen streikt aber eher die Psyche und sie sind dann nicht selten bereit, ganz auf Sex zu verzichten. Oft liegt das auch an Problemen mit der Blase. Diese lassen sich häufig in den Griff bekommen, sagt Kornhuber und ermutigt dazu, nicht klein beizugeben. Zwar führen Schäden entlang der leitenden Nerven im Rückenmark und im Gehirn dazu, dass sexuelle Reize schlechter übertragen werden. Doch gibt es genügend intakte Nervenbahnen, die sehr wohl Stimulation und Erregung ermöglichen.

Neue Wege ausprobieren

Oft helfe es, die erogenen Zonen intensiver zu stimulieren, um die körperliche Lust wieder zu entfachen. Hilfsmittel wie Vibratoren, Vakuumpumpen oder Potenzmittel sollten dabei kein Tabu sein. Womöglich sind es aber auch ganz sanfte Sexualpraktiken, mit denen sich die Intimität beleben lässt. Michele Messmer Uccelli, Pflegewissenschaftlerin und Mitglied der internationalen MS-Gesellschaft MSIF regt dazu an, sich zunächst mit folgender Übung auf neue Weise einander zu nähern.

Sensorische Körperkarte (Body Mapping)

  • Tasten Sie Ihren Körper ganz entspannt und liebevoll von Kopf bis Fuß ab und nehmen Sie wahr, wo es sich angenehm oder auch unangenehm anfühlt.
  • Intensivieren Sie Ihre Berührungen dort, wo es besonders schön ist – ohne auf sexuelle Befriedigung abzuzielen.
  • Sagen Sie Ihrem Partner, wie er oder sie Ihren Körper auf ähnliche Weise berühren kann.
  • Bitten Sie Ihren Partner, Ihnen diese Auskünfte auch von sich zu geben. Berühren Sie sich dann abwechselnd lustvoll, ohne einen sexuellen Höhepunkt anzustreben.

Welcher Weg auch immer sich richtig anfühlt: Für das eigene Selbstwertgefühl und für eine harmonische Partnerschaft lohne es sich, die gemeinsame Sexualität zu pflegen, rät Neurologe Kornhuber. Bei Problemen empfiehlt er, den behandelnden Arzt oder eine MS-Schwester anzusprechen. Alternativ könne auch eine Paartherapie der gemeinsamen Liebe helfen. Kontakte zu Sexualtherapeuten vermitteln zum Beispiel die Pro Familia-Beratungsstellen.

kb