Demenz: Noch ein Häppchen …

Menschen mit Demenz essen und trinken oft zu wenig. Das stellt die pflegenden Angehörigen vor große Herausforderungen. Doch oft lässt sich der Appetit mit einfachen Mitteln wiederbeleben.

Hannes Seeger liebt Schnitzel mit Bratkartoffeln. Am liebsten, wenn seine Frau Lore das Gericht zubereitet. Doch seit Tagen verschmäht der 87-Jährige sogar sein Leibgericht. Gutes Zureden hilft nicht, auch Schimpfen ist zwecklos. Lore hat schon einiges ausprobiert: das Fleisch in Häppchen geschnitten, die Kartoffeln mit Ei püriert und einen Löffel zum Füttern verwendet. Alles ohne Erfolg. Er muss doch etwas essen, sagt die 86-Jährige. Sie macht sich große Sorgen um die Gesundheit ihres Mannes und fühlt sich überfordert. So wie den Seegers gehe es vielen Betroffenen, sagt Susanna Saxl, Sozialarbeiterin bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Eine Demenz verändere grundlegende Bedürfnisse und Fertigkeiten der Patienten. Dass betreute Menschen durch den Appetitmangel allmählich verhungerten, wie viele befürchten, komme jedoch äußerst selten vor. Im Alltag helfen oft schon einfache Maßnahmen und Tricks, um die Situation zu entschärfen.

Wenn Essen und Trinken schwierig werden

Zähne untersuchen lassen: Ein drückendes Gebiss oder Entzündungen im Mund machen das Kauen manchmal unerträglich. Es gibt Zahnärzte, die für eine Untersuchung ins Haus kommen.

Zeigen, wie es geht: Manche Patienten erinnern sich nicht mehr an die richtigen Handbewegungen, können sie aber gut imitieren. Legen Sie ihnen dazu Gabel oder Löffel in die Hand und machen Sie den Bewegungsablauf mehrmals vor.

Stärker würzen: Im Alter schmeckt vieles plötzlich fad oder anders als gewohnt. Da hilft es, mehr Aroma hinzuzugeben und selbst Herzhaftes zu süßen. Das regt die Geschmacksknospen an und der Zucker liefert zusätzliche Kalorien.

Zum Essen einladen: Koste mal, findest du das auch so lecker? Oder, wenn es um das Trinken geht: Das eigene Saftglas erheben und laut Prost rufen.

Saft statt Wasser: Bunte Fruchtsäfte sind oft attraktiver und nicht so dünnflüssig wie Wasser. Getränke und Suppen lassen sich mit speziellen Gelen aus der Apotheke geschmacksneutral andicken und sind dann sicherer zu schlucken.

Experimente wagen: Feste Strukturen und Gewohnheiten aufzubrechen, kann neues Interesse wecken. Wie wäre es einmal mit Fleischbällchen in Schokoladensoße? Und warum nicht das Mittagessen schon vormittags auf den Tisch bringen?

Fast jeder zweite Mensch mit Demenz nimmt stark ab, weil das Bedürfnis zu essen nachlässt. Über die Folgen berichtet Dr. Rainer Wirth, Privatdozent für Altersmedizin in Erlangen: Unterernährung kann eine Demenz verschlimmern und zu lebensgefährlichen Stürzen führen. Für die private Pflege sind aber bisher keine schlüssigen Konzepte zu finden, die Angehörige in die Lage versetzen, mit einer Nahrungsverweigerung zurechtzukommen. Die Selbsthilfe Demenz der Deutschen Alzheimer Gesellschaft füllt diese Lücke, so gut es geht, mit telefonischer Beratung.

Für Lore Seeger liegt die Lösung des Problems näher als ursprünglich gedacht: Alle zwei Tage kommt jetzt Enkelsohn Paul mittags zum Essen und macht sich über die leckeren Schnitzel her. Das animiert Opa Hannes und er greift wieder mit großem Appetit zu. kb