Multiple Sklerose: Cool durch den Sommer – auch mit MS

Während die meisten Menschen sich auf die warme Jahreszeit freuen, sehen ihr Patienten mit Multipler Sklerose oft sorgenvoll entgegen. Dr. Klaus Tiel-Wilck vom Neurologischen Facharztzentrum Berlin verrät, wie sich der Sommer trotz MS genießen lässt.

Herr Dr. Tiel-Wilck, welche Auswirkungen kann das warme Wetter auf die Multiple Sklerose haben?

Rund ein Drittel aller MS-Patienten macht die Erfahrung, dass Wärme viele der Symptome hervorruft, die auch bei vorausgegangenen Schüben aufgetreten waren. Wichtig ist zu wissen, dass es sich dabei nicht um einen neuen Schub handelt: Sobald der Patient sich Kühlung verschafft, verschwinden die Symptome meistens wieder.

Wodurch ist das Phänomen bedingt?

Das Uhthoff-Phänomen – benannt nach dem deutschen Mediziner Wilhelm Uhthoff, der es 1892 erstmals beschrieben hat – ist rein physikalischer Natur: Bei hohen Temperaturen verlangsamt sich die Weiterleitung der Signale entlang der Nervenbahnen an den Stellen, wo deren Schutzhülle, die Myelinschicht, vom Immunsystem angegriffen wurde. Der Entzündung selbst leistet die Wärme aber keinen Vorschub.

Was können Patienten tun, wenn sich zum Beispiel spastische Lähmungen durch Hitze verstärken?

Zunächst einmal sollten sie sich klarmachen, dass das Ganze eher harmlos ist und daher auch keine medizinische Notwendigkeit besteht, beispielsweise einen Urlaub abzubrechen. Wer allerdings schon weiß, dass das Uhthoff-Phänomen bei ihm auftritt, kann seine Pläne für den Sommer entsprechend gestalten und auf Reisen in heiße Länder verzichten. Wer diesbezüglich unsicher ist, kann sich vorher leicht durch ein heißes Bad oder einen Saunabesuch Klarheit verschaffen.

Was sollten MS-Patienten bei ihren Urlaubsplänen noch bedenken?

Sie sollten das Reiseziel am besten mit ihrem Arzt absprechen und auch klären, ob dieser bei einem eventuellen Schub telefonisch oder per Mail erreichbar ist. Es kann zudem sinnvoll sein, Medikamente für den Notfall, etwa Cortisontabletten, vorbeugend einzupacken. Bei kühlpflichtigen Arzneien ist darauf zu achten, dass die Kühlung auch unterwegs und am Urlaubsort sichergestellt ist. Zudem empfiehlt es sich auf Flugreisen, die Medikamente im Handgepäck zu transportieren – am besten zusammen mit einer ärztlichen Bescheinigung über deren Notwendigkeit.

Gibt es Reiseimpfungen, die bei MS gefährlich sind?

Die meisten Impfungen sind auch für MS-Patienten gut verträglich. Nur Lebendimpfstoffe, also solche mit abgeschwächten Erregern, können für sie problematisch werden. Außer gegen Gelbfieber stehen aber gegen die wichtigsten Infektionskrankheiten Totimpfstoffe zur Verfügung. Und Gelbfieber ist nur in den tropischen und subtropischen Gebieten Afrikas und Südamerikas verbreitet.

Und wenn die Hitze hierzulande zuschlägt?

Ratsam ist es dann vor allem, sich möglichst viel im Schatten oder zur Not in klimatisierten Räumen aufzuhalten – und sich gegebenenfalls mithilfe einer kalten Dusche oder kühlen Getränken zu erfrischen. Gute Erfahrungen haben viele MS-Patienten auch mit spezieller Kühlkleidung gemacht, vor allem mit Kühlwesten, die unter der Kleidung getragen werden. Es gibt ein breites Angebot unterschiedlicher Modelle. Leider bezahlen die Krankenkassen Kühlkleidung derzeit noch nicht. Auch die eigene Wohnung sollte man kühl halten, indem man nur nachts lüftet und tagsüber die Jalousien herunterlässt. ab

Dr. med. Klaus Tiel-Wilck
Neurologisches Facharztzentrum Berlin