Multiple Sklerose: Therapie als Teamwork
Viele Patienten brechen ihre MS-Therapie irgendwann ab und gehen damit das Risiko ein, dass die Krankheit schneller fortschreitet. Warum ist durchhalten so schwierig und was könnte helfen? Experten raten zu mehr persönlichem Zuspruch.
Wie Forscher der Technischen Uni Dresden herausfanden, hält nur jeder Dritte eine MS-Therapie länger als zwei Jahre durch – obwohl es ein breites Angebot an Möglichkeiten gibt, das eine individuell auf den Patienten abgestimmte Behandlung ermöglicht. Experten haben als zeitgemäßes Ziel der Therapie die Freiheit von jeglicher MS-Krankheitsaktivität definiert. Mit Blick auf die engmaschige ärztliche Betreuung bei MS überrascht die hohe Abbruchquote. Sie hat, wie die Wissenschaftler feststellten, vor allem mit mangelndem Vertrauen zu tun. Viele Patienten bezweifeln den Nutzen der Therapie, obwohl sie von Arzt und MS-Schwester wussten, dass die Behandlung weiteren Nervenschäden vorbeugen kann und man dadurch wahrscheinlich länger beweglich bleibt. Doch um die Behandlung durchzuhalten, reichte die Aufklärung offenbar nicht aus.
Was hilft, um dranzubleiben?
Dieser Frage sind deutsche MS-Experten aus Klinik und Forschung in einer weiteren Untersuchung mit rund 6.000 Patienten auf den Grund gegangen. Die Beobachtungsstudie begann, als die MS-Therapie auf Fumarsäure-Basis im Frühjahr 2014 auf den Markt kam und wurde von Professor Mathias Mäurer, Chefarzt in der Caritas-Klinik Bad Mergentheim, geleitet. Rund 3.400 Studienteilnehmer hatten einen persönlichen Berater an der Seite, der sich regelmäßig bei seinen Patienten meldete. Außerdem gab es eine Kontrollgruppe ohne aktives Therapiecoaching. Das Ergebnis: 88,6 Prozent der Patienten, die zusätzlich zur medizinischen Betreuung gecoacht wurden, hielten die Therapie innerhalb des ersten Jahres durch. In der Kontrollgruppe waren es mit 76,8 Prozent deutlich weniger. Insgesamt aber war die Therapietreue viel besser als in der Dresdner Studie. Das zeige, so das Fazit der Experten, dass eine intensive niederschwellige Betreuung mit der Möglichkeit, jederzeit nachzufragen, in den meisten Fällen über die kritische Startphase hinweghelfe.
Bei allen MS-Therapien treten mögliche Nebenwirkungen vor allem am Anfang auf, sagt Dr. Gabriele Niemczyk, die im Auftrag eines Medikamentenherstellers die Beobachtungsstudie mitbegleitet hat. Doch das schlechtere Befinden bringe viele zum Grübeln. Oft trauen die Patienten sich dann nicht, mit dem Arzt über ihre Unsicherheit zu sprechen
, hat Niemczyk beobachtet.
Persönliches Coaching
Sie leitet das MS Service-Center in Göttingen, eine Anlaufstelle für derzeit 10.500 Patienten, die sich während ihrer Therapie begleiten lassen möchten. Die Ergebnisse der Studie sind dort inzwischen in ein neues Konzept eingeflossen. Unter dem Motto Gemeinsam stark
bietet man eine psychosoziale krankheitsbezogene Unterstützung an, um die Therapie besser in den Alltag und in die Lebensplanung zu integrieren – eine Option, die bisher im Therapiemanagement fehlte. Dr. Gabriele Niemczyk: Vielen Patienten hilft es schon, die eigenen Zweifel einmal auszusprechen. Danach fällt es ihnen leichter, an ihrem Therapieziel festzuhalten.
Das MS Service-Center in Göttingen ist erreichbar unter der kostenlosen Telefonnummer: 0800 030 77 30. kb