Parkinson: Eine individuelle Angelegenheit

Die Krankheitsverläufe von Parkinson-Patienten sind sehr unterschiedlich. Deshalb ist es so wichtig, für jeden einzelnen die optimale Behandlungsstrategie zu finden.

Herr Dr. Ries, im vergangenen Jahr wurden die Leitlinien zur Behandlung der Parkinson-Krankheit aktualisiert. Wie sieht die beste medikamentöse Therapie derzeit aus?

Als Goldstandard gilt insbesondere bei älteren Patienten noch immer die Gabe von L-Dopa. Das ist ein Vorläufer des Botenstoffs Dopamin, den Parkinson-Patienten in vermindertem Maße herstellen. Ergänzt wird die Therapie häufig durch eine Einnahme von MAO-B-Hemmern, die den Abbau von Dopamin im Gehirn bremsen. Leider treten nach einer mehrjährigen Behandlung mit L-Dopa fast immer motorische Fluktuationen auf. Das heißt, die Patienten erleben abwechselnd Phasen mit Über- und Unbeweglichkeit.

Jüngere Patienten müssen daher anders behandelt werden?

Ja, sie sollten bevorzugt Dopamin-Agonisten erhalten. Das sind Substanzen, die die Wirkung des Dopamins im Gehirn imitieren, indem sie sich an die gleichen Rezeptoren der Nervenzellen heften. Allerdings ist auch bei diesen Substanzen ein wenig Vorsicht geboten, da es unter ihrem Einfluss mitunter zu nicht-motorischen Komplikationen, etwa zu Halluzinationen und Verhaltensstörungen, kommen kann. Das Risiko für Nebenwirkungen steigt mit zunehmendem Alter, weshalb die Patienten irgendwann auf eine Therapie mit L-Dopa umgestellt werden sollten.

Das klingt, als sei die Behandlung von Parkinson-Patienten keine ganz einfache Angelegenheit.

Das stimmt. Und aus diesem Grund betonen die Leitlinien auch, dass die Parkinson-Therapie nur in die Hände erfahrener Fachärzte gehört. Die Krankheitsverläufe der einzelnen Patienten sind sehr unterschiedlich, weshalb die vielen – übrigens auch nicht-medikamentösen – Behandlungsoptionen, die wir inzwischen haben, ganz individuell zum Einsatz kommen sollten.

In den vergangenen Monaten sind zwei neue Medikamente auf den Markt gekommen: Safinamid und Opicapon. Was können diese Präparate?

Safinamid wird ergänzend zu L-Dopa im fortgeschrittenen Krankheitsstadium verabreicht. Es hemmt nicht nur das Enzym MAO-B, sondern bremst darüber hinaus im Gehirn die Ausschüttung von Glutamat. Dadurch wird das Ungleichgewicht der Botenstoffe Dopamin und Glutamat günstig beeinflusst. Opicapon hemmt das En- zym COMT, das wie MAO-B am Abbau des Dopamins beteiligt ist. Ein Vorteil dieses Wirkstoffs gegenüber Vorläufersubstanzen ist, dass er bei hoher Wirksamkeit nur einmal täglich vor dem Zubettgehen eingenommen werden muss. Studien weisen zudem darauf hin, dass L-Dopa in Kombination mit Opicapon besser wirkt und motorische Fluktuationen gemindert werden können.

Bislang lassen sich mit allen verfügbaren Medikamenten nur die Symptome der Parkinson-Krankheit lindern. Wann ist mit ersten Wirkstoffen zu rechnen, die die Krankheit an der Wurzel packen?

Das ist schwer zu sagen. Derzeit werden zahlreiche Substanzen in Studien getestet, die den Untergang der Nervenzellen aufhalten sollen. Die Wirkprinzipien sind sehr unterschiedlich. Welche Substanzen sich am Ende womöglich durchsetzen werden, lässt sich jetzt noch nicht abschätzen. Ich hoffe jedoch, dass wir in spätestens zehn Jahren ein Medikament haben werden, das tatsächlich die Ursache von Parkinson bekämpft. ab

Dr. Stefan Ries
ist niedergelassener Facharzt am Neuro Centrum Odenwald, einer neurologischen und psychiatrischen Gemeinschaftspraxis mit Standorten in Erbach, Darmstadt und Groß-Umstadt.