Multiple Sklerose: Bis auf das Dach der Welt

Sich Ziele setzen, die erreichbar sind, und rechtzeitig erkennen, wann man rasten oder umkehren sollte. Darauf komme es beim Bergsteigen an, sagt man. Florian Plehn wollte es genau wissen und machte sich auf den Weg nach ganz oben – im Himalaya.

Den sportlichen 44-Jährigen, der sich vor zwei Jahren in Frankfurt am Main seinen ersten Ironman-Titel holte, bringt so leicht nichts aus der Ruhe. Es sei denn, er sitzt eingezwängt in einer Propeller-Maschine, die gerade einen der weltweit gefährlichsten Flugplätze anfliegt. Da kann es selbst einem Florian Plehn schwindlig werden. Die Landebahn von Lukla, mitten im Himalaya, ist nur knapp 500 Meter lang. Vorne ein Abgrund, hinten eine Wand aus Granit. Liegt das Bergstädtchen im Nebel, ist sicheres Landen unmöglich. Zum Glück für Florian und seine Lebensgefährtin Britta scheint am Ankunftstag die Sonne. Die beiden wollen von Lukla auf den Gokyo hinauf.

Nicht länger warten

Warum gerade dieser Berg? Weil wir den schaffen können, sagt Florian. Außerdem wollte er nicht länger mit seiner Traumreise nach Nepal warten. Wer weiß schon, wie lange ich mir das noch zutrauen kann. Seit mehr als 20 Jahren lebt er mit Multipler Sklerose. Einmal in der Woche spritzt er sich Medikamente, um die nicht heilbare Nervenerkrankung in Schach zu halten. Das klappt gut: Er ist schubfrei und kann sich uneingeschränkt bewegen. Sein einziges Handicap ist das linke Auge, auf dem er seit einer MS-bedingten Sehnerv-Entzündung nur noch halb so gut sieht. Da passt es, dass der Trekkingpfad meistens breit genug für zwei ist. Außerdem braucht man auf dieser Himalaya-Route weder Steigeisen noch Kletterseil. Aber es ist viel mehr Puste als im Flachland nötig, denn mit jedem Schritt wird die Luft merklich dünner. Nach zwei Tagen gibt es noch eine warme Dusche, in Namsche Bazar, einem malerischen Marktflecken auf 3.500 Höhenmetern. Dort entscheidet sich auch, wie es weitergeht: Denn wer sich hier schon unwohl fühlt, sollte sich unbedingt ausruhen oder sogar absteigen, um die gefährliche Höhenkrankheit zu vermeiden. Erwischen kann sie fast jeden. Man muss spüren, wann man an seine Grenzen kommt und bereit sein aufzugeben, sagt Florian.

Jeder Moment ist es wert

Damit sich der Körper auf immer weniger Sauerstoff einstellen kann, campieren die beiden Hamburger einige hundert Meter tiefer, als sie tagsüber an Höhe gewonnen haben. Am Abend wieder ein Stück absteigen zu müssen, kann einen ganz schön frustrieren, sagt Florian. Manchmal seien beim Bergsteigen jedoch Rückschritte nötig, um weiterzukommen. Zum Trost gebe es viele Kostbarkeiten am Wegesrand zu entdecken: blühendes Edelweiß, kunstvoll gefertigte Stupas (Friedensmale aus Stein), uralte Klöster – und natürlich der atemberaubende Blick auf den schneebedeckten Mount Everest, den höchsten Berg der Welt. Jeder Moment unterwegs entschädige für die schmerzenden Beine und die Ungewissheit, ob man es bis oben schaffen werde, versichert Florian.

Oben, damit ist die Gokyo-Alm gemeint. Sie liegt auf 4.750 Metern und damit fast ebenso hoch wie Europas höchster Berg, der Mont Blanc mit seinen 4.810 Metern. Aber noch liegt das Ziel in weiter Ferne. Wie die beiden den langen Weg schaffen? Florian hat sich stückweise die Landkarte eingeprägt und jede Tagesstrecke in viele kleine Etappen eingeteilt. Ein unbekannter, mühsamer Weg sollte immer überschaubar bleiben, sonst gehen Motivation und Kraft schnell verloren, sagt der Marathonläufer.

kunstvoll gefertigte Stupas (Friedensmale aus Stein), uralte Klöster – und natürlich der atemberaubende Blick auf den schneebedeckten Mount Everest, den höchsten Berg der Welt. Jeder Moment unterwegs entschädige für die schmerzenden Beine und die Ungewissheit, ob man es bis oben schaffen werde, versichert Florian.

Oben, damit ist die Gokyo-Alm gemeint. Sie liegt auf 4.750 Metern und damit fast ebenso hoch wie Europas höchster Berg, der Mont Blanc mit seinen 4.810 Metern. Aber noch liegt das Ziel in weiter Ferne. Wie die beiden den langen Weg schaffen? Florian hat sich stückweise die Landkarte eingeprägt und jede Tagesstrecke in viele kleine Etappen eingeteilt. Ein unbekannter, mühsamer Weg sollte immer überschaubar bleiben, sonst gehen Motivation und Kraft schnell verloren, sagt der Marathonläufer.

Den Erfolg genießen

Nach fünf Tagen Aufstieg kommen die beiden Hamburger auf „ihre“ Alm, erschöpft und überglücklich. Sie haben ihr Ziel erreicht. Zu ihren müden Füßen: die ganze Welt. Über ihren Köpfen: die Bergspitze des Gokyo, zum Greifen nah. Florian Plehn: Wir spürten eine tiefe Seelenruhe – herrlich. Und doch kann er am nächsten Tag der Versuchung nicht widerstehen: Er will die 5.000er-Marke knacken. Fit genug fühlt er sich. Seine Partnerin will auf der Alm auf ihn warten. Nach einer mehrstündigen Klettertour steht er schließlich auf dem Gokyo Ri und setzt damit noch eine Kirsche auf die Sahnetorte. Im Nachhinein, meint er, sei das Gipfelstürmen ein schönes Erlebnis gewesen, aber längst nicht der beste Moment auf der Himalaya-Tour mit Britta.

Ihren nächsten Berg haben sich die beiden schon ausgesucht: den Olymp, Sitz der griechischen Götter. Der ist nicht mal 3.000 Meter hoch. Doch wo die Welt aufhört und der Himmel beginnt, darf jeder für sich entscheiden. kb