Schlaganfall: Wenn Kinder der Schlag trifft

Er kommt selten vor und ist oft schwer zu erkennen: der kindliche Schlaganfall. Dabei ist es wichtig, ihn eindeutig zu diagnostizieren und richtig zu behandeln. Insgesamt kommt es auf eine umfassende und langfristige Begleitung der Betroffenen an.

Schlaganfälle bei Babys, Kindern und Jugendlichen sind ein seltenes Phänomen: Schätzungen zufolge sind weltweit jährlich zwei bis drei von 100.000 Heranwachsende betroffen. Auf Deutschland hochgerechnet entspricht das etwa 300 Fällen pro Jahr. Ein Drittel dieser Schlaganfälle ereignet sich um die Geburt herum, sagt Privatdozent Dr. Ronald Sträter, Kinder- und Jugendmediziner an der Universitätskinderklinik Münster und einer der deutschen Spezialisten für den kindlichen Schlaganfall.

Schwierige Diagnostik

Die Ursachen für kindliche Schlaganfälle seien vielfältig, erklärt er: Am häufigsten sind Erkrankungen des Herzens oder der Gefäße sowie eine angeborene Neigung zu verstärkter Gerinnselbildung. Neben vielen anderen Ursachen könnten auch Infektionen im Kleinkindalter oder Drogeneinnahmen bei Jugendlichen zu einem Schlaganfall führen.

Je jünger das Gehirn ist, desto unspezifischer reagiert es auf einen Schlaganfall: Bei Säuglingen äußert er sich meist durch einen Krampfanfall, bei kleinen Kindern oft mit Bewegungsstörungen an Arm oder Hand. Diese Symptome dauern aber manchmal nur kurz an. Zudem können Kinder sich noch nicht gut mitteilen, sodass mögliche Empfindungs- oder Sehstörungen unerkannt bleiben können. Das macht die Diagnose bei kleinen Kindern so schwierig, sagt Sträter. Erst bei typischeren Symptomen, etwa einem herunterhängenden Mundwinkel, Problemen beim Sprechen oder lange andauernden Bewegungsstörungen, würden Schlaganfälle bei Kindern besser erkannt. Die Eltern sollten dann sofort den Notarzt rufen und das Kind in ein größeres Krankenhaus mit einer Abteilung für Kinderneurologie bringen lassen, rät Dr. Sträter.

Begleitung durch Experten

Wichtig sei es, die Behandlung individuell an das Kind anzupassen und es langfristig zu betreuen. Dabei komme es auf eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Kinderneurologen, Gerinnungsexperten, Röntgenmedizinern sowie Kinderherzexperten, gegebenenfalls auch Neurochirurgen an. Besonders wichtig sei es zudem, von Anfang an Krankengymnasten, Ergotherapeuten und Logopäden einzubinden. Sehr hilfreich wäre es, wenn mehr spezialisierte Kinder-Schlaganfall-Zentren in Deutschland geschaffen würden, sagt Sträter. Bislang gibt es solche Zentren in Münster sowie seit einigen Jahren in München.

Ein kindlicher Schlaganfall ist selten lebensbedrohlich. Doch immerhin tragen zwei Drittel der kleinen Patienten bleibende Schäden davon, die ihren Entwicklungsprozess beeinträchtigen. Bei der Behandlung geht es darum, sowohl die Ursachen zu bekämpfen, einen weiteren Schlaganfall zu vermeiden sowie das Kind bestmöglich zu rehabilitieren. Bei etwa einem Drittel der Kinder sind zunächst keine Einschränkungen sichtbar, doch selbst dann können sich später noch Folgeprobleme ergeben. Grundsätzlich sollte deshalb ein Kind nach einem Schlaganfall regelmäßig von einem Kinderneurologen angesehen werden, um mögliche Folgeschäden frühzeitig erkennen und behandeln zu können.

Schulproblemen gegensteuern

Neulich war eine Familie da, deren Tochter nach dem Schlaganfall keine offensichtlichen Probleme hatte und die deshalb nicht mehr zur Nachuntersuchung gekommen war, berichtet Dr. Sträter. Doch seit das Mädchen in der Realschule ist, gibt es Probleme, weil sie den Lernstoff nur noch mit großer Mühe bewältigt. Derartige Defizite in der Lernfähigkeit ließen sich mithilfe spezieller Tests feststellen – um entsprechend therapeutisch gegenzusteuern. Und in der Schule haben die betroffenen Kinder das Recht auf einen Nachteilsausgleich: Sie können beispielsweise 30 Prozent länger an Klassenarbeiten schreiben als ihre gesunden Mitschüler. nk