Parkinson: Beim Autofahren auf Nummer sicher gehen
Keine Frage, jeder möchte möglichst lange mobil und unabhängig sein. Dazu gehört für Menschen mit Parkinson oft auch das Autofahren. Doch wenn die Beeinträchtigungen durch die Erkrankung zunehmen, steigt das Unfallrisiko.
Als in der Dreißigerzone ein Verkehrsteilnehmer von rechts kommt, kann Marlis Konrad mit ihrem Auto nicht mehr rechtzeitig bremsen. Zum Glück entstehen an beiden Autos nur leichte Blechschäden, die schnell behoben werden können. Dennoch hat mich das ganz schön mitgenommen. Immerhin war ich vorher mehr als vierzig Jahre unfallfrei unterwegs gewesen
, sagt die Hamburgerin, die vor rund zehn Jahren die Diagnose Parkinson erhielt. Die 65- Jährige erzählt, dass es schon in den Monaten zuvor andere kritische Situationen im Straßenverkehr gegeben und sie deswegen immer öfter Bus und Bahn genommen habe.
Marlis Konrad hat ihrem Neurologen von dem Unfall erzählt und sich entschlossen, zusätzlich zur ärztlichen Untersuchung auch noch eine Fahrtauglichkeitsprüfung beim TÜV zu machen. Obwohl ich diese gerade eben noch so bestanden habe, sagte mir mein Gefühl, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, auf das Autofahren zu verzichten. Ich wollte auf keinen Fall andere oder mich selbst gefährden.
Das ist jetzt ein halbes Jahr her und inzwischen hat sie sich neu organisiert: Mit öffentlichen Verkehrsmitteln geht es in die City und wenn sie zu ihrer Tochter aufs Land möchte, wird sie zu Hause abgeholt.
Verlangsamte Reaktion
Hirnforscher der University of Iowa fanden Ende 2009 in einer Studie am Fahrsimulator heraus, dass die Parkinsonkrankheit in vielen Fällen das Unfallrisiko erhöht. Vor plötzlich auftretenden Hindernissen wiesen die ge testeten 67 Parkinsonpatienten bereits im frühen Stadium der Erkrankung mit 2,7 Sekunden eine deutlich längere Reaktionszeit auf als gesunde Probanden (2,1 Sekunden).
Die Verarbeitungsgeschwindigkeit von Bildern und das Kontrastsehen, beides Fähigkeiten, die im Straßenverkehr besonders wichtig sind, können durch Parkinson beeinträchtigt sein. Typisch für die neurologische Erkrankung ist auch die Wahrnehmung von Doppelbildern. Neben diesen Sehstörungen sind es zudem kognitive und motorische Beschwerden, die das Autofahren gefährlich machen können. Aufmerksamkeitsstörungen, Halluzinationen, ein starker Tremor oder Bewegungsstarre – schon eines dieser Symptome reicht, um die Fahreignung zu verlieren
, sagt Privatdozent Dr. Buhmann, Ärztlicher Leiter des Bereichs Neurologie am Ambulanzzentrum des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).
Tagesmüdigkeit und Schlafattacken
Darüber hinaus beeinträchtigen manche Parkinsonmedikamente die Fahrfähigkeit. Dopaminagonisten, die fast jeder Patient im Laufe der Erkrankung einnimmt, können beispielsweise Schlafattacken auslösen, Tagesmüdigkeit verstärken, die Impulskontrolle einschränken und aggressives Verhalten fördern. Dennoch sei es nicht einfach zu beurteilen, ob ein Patient ein Auto sicher führen könne, sagt Buhmann: Wer zum Beispiel morgens seine Medikamente einnimmt und danach kurz müde wird, kann abends durchaus fahrtauglich sein, weil die Nebenwirkungen nach einigen Stunden abnehmen.
Entscheidung im Einzelfall
Nach Auskunft der Deutschen Gesellschaft für Neurologie gibt es keinen standardisierten Test für die zuverlässige Bestimmung der Fahrtauglichkeit von Parkinsonpatienten. Letztendlich muss in jedem Einzelfall genau abgewogen werden, ob der Patient in der Lage ist, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen, oder womöglich eine Gefahr für sich und andere darstellt,
sagt Dr. Klaus Gehring, Neurologe aus Itzehoe. Manchmal können Patienten ihre Defizite durch ihre Fahrerfahrung kompensieren. Ob das gelingt, zeigt eine einmalige Fahrprobe.
Gehring erstellt im Auftrag der Fahrerlaubnisbehörde verkehrsmedizinische Gutachten, nachdem ein Patient im Straßenverkehr auffällig geworden ist. Es komme aber auch vor, dass Patienten von sich aus eine objektive Einschätzung ihres Fahrverhaltens wünschten. Das zeugt von einem großen Verantwortungsbewusstsein des Patienten
, sagt der Mediziner, und ist sehr zu begrüßen.
ak