Psyche: Im Schatten der Vergangenheit

Angstzustände, Aggressivität oder zwanghaftes Verhalten: Eine posttraumatische Belastungsstörung kann sich in vielfältiger Weise äußern. Wichtig sind dann eine eindeutige Diagnose und individuell abgestimmte Therapiemaßnahmen, um Abhilfe zu schaffen.

Traumatische Erlebnisse können einmalig vorkommen, etwa bei Unfällen oder Terroranschlägen, oder sie dauern länger an, beispielsweise bei Missbrauch, im Krieg oder in Gefangenschaft. Bei Naturkatastrophen sind sie schicksalhaft, bei Folter oder Geiselnahme gezielt von anderen Menschen verursacht. In jedem Fall sind solche Erlebnisse ein Einschnitt im Leben der Betroffenen. Ob sich daraus eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, hänge auch von der Persönlichkeit und den Lebensumständen des Opfers ab, sagt Professor Dr. Arno Deister, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde: Je nachdem, wie gefestigt die Persönlichkeit ist und wie stark die Betroffenen sozial integriert sind, kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln oder auch nicht.

Erneutes Erleben des Ereignisses

Drei Symptome seien entscheidend für die Diagnose, sagt der Psychiater aus Itzehoe:

  • Der Patient durchlebt die Situation immer wieder neu und befindet sich wie „mitten drin“.
  • Er zeigt ein Vermeidungsverhalten: Entweder meidet er spezielle Situationen (wie beispielsweise Autofahren nach einem traumatischen Verkehrsunfall) oder bestimmte Emotionen, etwa indem er sich zurückzieht und antriebslos wird.
  • Der Patient ist leicht erregbar oder zu irritieren: Er fühlt sich unter Druck, ist schnell gereizt oder abgelenkt.

All das steht oft in zeitlichem Zusammenhang mit dem Erlebnis, das heißt, es kommt einige Tage bis Monate nach dem Trauma zum Tragen – oder nach dessen Bewusstwerdung, sagt Deister. Denn manchmal seien die Erinnerungen erst viele Jahre später wieder zugänglich, etwa nach einem Missbrauch.

Annehmen und Hilfe suchen

Sobald die Diagnose feststeht, ist es für die Betroffenen und ihre Angehörigen wichtig, die Störung zu akzeptieren. Leider steht dem oft Scham im Weg, berichtet Dr. Monika Körwer, Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie in Grevenbroich, aus ihrer Praxis. Eine gezielte Psychotherapie könne helfen, die Blockaden zu überwinden. Erstes Ziel ist dabei immer, dass der Patient aus der gefühlten Opferrolle herauskommt und lernt, sein Leben nach eigenen Wünschen zu gestalten, sagt Körwer. Dafür sei es wichtig, wieder Vertrauen in Menschen und Situationen zu entwickeln. Möglich sei das aber nur in sehr kleinen Schritten, etwa mit neurophysiologischen Verfahren wie EMDR. Das Kürzel steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, wobei bestimmte lindernde Erregungskreise im Gehirn durch Augenmuskelbewegungen aktiviert werden. Aber auch imaginative Verfahren und Entspannungstechniken haben sich bewährt.

Behandlung nach Bedarf

Manchmal führt die Behandlung bereits nach wenigen Monaten zum Erfolg. So war es bei einer Patientin von Körwer, die einen traumatischen Fahrradunfall hatte und anschließend jedes Mal mit heftigem Zittern oder sogar Ohnmacht reagierte, wenn sie auf ihr Fahrrad steigen wollte. Dank EMDR und Einzeltherapie war das nach vier Monaten komplett behoben, berichtet Monika Körwer. Eine andere Patientin konnte sich, ausgelöst durch eine bestimmte Behandlung im Krankenhaus, wieder an ein frühes Trauma erinnern: eine Entführung in der Kindheit. Die Patientin ist nach mehr als einem Jahr noch immer in Therapie, aber auf dem Weg der Besserung. In manchen Fällen lassen sich die Symptome nicht ganz ausheilen, sagt Körwer. Aber auch wenn die posttraumatische Belastungsstörung chronisch geworden sei – mildern lassen sich die Symptome durch eine gezielte Behandlung deutlich. nk