Parkinson: Aussicht auf neue Wirkstoffe

In den vergangenen Jahren wurden einige entscheidende Mechanismen zur Entstehung und Entwicklung von Parkinson entschlüsselt. Welche neuen Therapieansätze sich daraus ergeben, berichtet Professor Dr. Daniela Berg vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel.

Frau Professor Berg, die Parkinsonforschung läuft auf Hochtouren. Was ist der Stand der Dinge?

Was das Fortschreiten von Parkinson betrifft, gehen wir heute davon aus, dass erkrankte Nervenzellen im Gehirn andere Zellen anstecken können. Das heißt, die Zellen, in denen es zu einer fehlerhaften Faltung des Eiweißes Alpha-synuclein sowie zu dessen vermehrter Ablagerung kommt, geben diese Fehlinformation an andere Zellen weiter. So kann sich die Krankheit in mehreren Hirnbereichen ausbreiten und den Zelltod beschleunigen. Dieser fatalen Entwicklung soll eine neuartige Impfung entgegenwirken: Sie richtet sich gegen das falsch gefaltete Eiweiß und kann, so unsere Hoffnung, die Ausbreitung der Krankheit verhindern. Erste Untersuchungen an Patienten zeigen, dass die zur Impfung verwendeten Wirkstoffe sowohl wirksam als auch gut verträglich sind. Weitere Studien – auch in Deutschland – laufen demnächst an.

Im Gehirn von Parkinsonpatienten finden sich häufig überdurchschnittlich hohe Eisenkonzentrationen. Was hat es damit auf sich?

Es ist bekannt, dass oxidativer Stress, bei dem freie Sauerstoffradikale gebildet werden, zur Entstehung der Krankheit beiträgt. Bei Parkinson findet sich zu viel freies Eisen in der Substantia nigra – dem Bereich, in dem die Dopamin-produzierenden Zellen bei Parkinson zugrunde gehen. Das führt unter anderem zu der typischen Bewegungsverlangsamung und Steifigkeit.

Derzeit wird in zwei Patientenstudien getestet, inwieweit ein Wirkstoff dieses Eisen abfangen und damit den schädlichen oxidativen Stressprozess aufhalten kann. Sind die Untersuchungen, für die noch Studienteilnehmer gesucht werden, erfolgreich, könnte dies zu einer neuen Therapie für viele Patienten führen.

Gibt es auch neue Ansätze bei genetisch-bedingten Erkrankungsformen?

Bei etwa sieben Prozent der Parkinsonpatienten liegt der Krankheit eine monogenetische Ursache zugrunde, also ein fehlerhaft mutiertes Gen, das Parkinson auslösen oder zumindest das Erkrankungsrisiko deutlich erhöhen kann. Im Fokus der bekannten genetischen Veränderungen steht dabei der Energieapparat der Nervenzellen, das Mitochondrium. Sind dessen Stoffwechselprozesse durch eine Genmutation gestört, kann dies zu Parkinson führen. Hier kann man mit Wirkstoffen ansetzen, die den Mitochondrien-Stoffwechsel stärken und so der Krankheitsentstehung oder -ausbreitung entgegenwirken. Zu diesen Wirkstoffen zählen das Coenzym Q10 und Vitamin K2.

Bislang haben Studien mit diesen Substanzen noch keinen Erfolg gezeigt. Ein Grund dafür könnte der breite Einsatz bei allen Patienten sein – unabhängig davon, ob das Mitochondrium deutlich betroffen war oder nicht. Künftig soll der Nutzen der Wirkstoffe gezielt bei Patienten untersucht werden, die tatsächlich eine genetische Auffälligkeit im Mitochondrium aufweisen. Bei ihnen erhoffen wir uns einen deutlichen Effekt. Diese auf einzelne Patientengruppen spezifisch ausgerichtete Behandlung wird als individualisierte Therapie bezeichnet – ein wichtiger Schritt in der Ursachen-bezogenen Behandlung.

Gibt es noch weitere genetisch bedingte Krankheitsformen?

Wir wissen, dass eine Mutation im Glucocerebrosidase-Gen, kurz GBA-Gen, das Risiko für eine Erkrankung erhöht. Die Mutation trägt dazu bei, dass sich verklumptes Alpha-synuclein im Gehirn ansammelt und Nervenzellen sterben. Nachdem sich ein Wirkstoff in einer britischen Studie an Patienten als effektiv erwiesen hat, sollen nun weitere Untersuchungen mit einer anderen Substanz folgen. Diese werden voraussichtlich noch dieses Jahr auch in Deutschland beginnen.

Bei Parkinson tragen oft Veränderungen in mehreren Genen ihren Teil zu der Erkrankung bei. Hier eine wirksame Therapie zu finden, ist deutlich schwieriger als bei Erkrankungen, die lediglich auf einen Gendefekt zurückgehen. Wir hoffen jedoch, dass manche Therapien, die bei monogenetischen Parkinsonformen wirksam sind, auch bei anderen Patienten Wirksamkeit zeigen.

Die geschilderten Ansätze werden bereits an Patienten getestet. Wann ist mit neuen Therapien zu rechnen?

Auch wenn es sich bei allen Ansätzen um vielversprechende Innovationen handelt: Es wird sicher noch einige Jahre dauern, bis entsprechende Medikamente zugelassen sind. Das liegt an der Komplexität der Studien: Es wird nicht nur überprüft, wie wirksam die Substanzen sind, also ob sie sich positiv auf die Entstehung und das Fortschreiten der Krankheit auswirken oder Symptome verbessern können. Die Präparate sollten auch möglichst nebenwirkungsarm und mit anderen Medikamenten kombinierbar sein.

Dennoch können Patienten bereits jetzt von einigen Erkenntnissen profitieren: Betroffene, die Interesse an einer Studienteilnahme haben, können sich zusammen mit ihrem Neurologen erkundigen, ob sie dafür infrage kommen. In Kiel führen wir beispielsweise alle der genannten Studien durch.

Für junge Betroffene oder auch diejenigen, bei denen Parkinson in der Familie häufig vorkommt, ist eine genetische Testung sinnvoll. Bei Bestätigung der Wirkung von Coenzym Q10 oder Vitamin K2 auf die mitochondrialen Parkinsonformen könnte diese Therapie einfach umgesetzt werden. ag

Prof. Dr. Daniela Berg
Direktorin der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel