Multiple Sklerose: Ein früher Behandlungsbeginn reduziert die Zahl der Schübe.

Jeder Monat zählt: Dr. Barbara Schwandt erklärt, welche Vorteile es hat, möglichst rasch mit einer Therapie der Multiplen Sklerose zu beginnen.

Frau Dr. Schwandt, warum ist es so wichtig, mit der Therapie zu beginnen, sobald die Diagnose MS gestellt ist?

Wir wissen heute, dass bei einer Multiplen Sklerose im Nervensystem auch dann entzündliche Prozesse ablaufen, wenn der Patient noch keine Symptome verspürt. Er befindet sich in einer schubfreien Phase und doch kommt es in diesem frühen Stadium zu dauerhaften Veränderungen an den Nervenzellen. Eine medikamentöse verlaufsmodifizierende Therapie kann diese Entzündungsaktivität verringern.

Wie zeigt sich das nach außen hin?

Wird eine Therapie erst dann begonnen, wenn die Nervenzellen bereits geschädigt sind, kann sie ihre volle Wirkung gar nicht mehr entfalten. Anders herum gesagt: Wer frühzeitig mit der Behandlung seiner MS beginnt, kann damit rechnen, dass er deutlich länger beschwerdefrei bleibt beziehungsweise körperliche Einschränkungen sich wesentlich langsamer entwickeln.

Gibt es Studien, die die Wichtigkeit eines frühen Therapiebeginns unterstreichen?

Ja, die gibt es. Eine Untersuchung hat zum Beispiel gezeigt, dass die MS von Patienten, die erst spät oder gar nicht behandelt werden, eher in eine sekundär chronische Verlaufsform übergeht, bei der die Behinderung stetig voranschreitet, als bei Patienten, die ihre Therapie frühzeitig beginnen. Andere Studien konnten nachweisen, dass die Zahl der Schübe durch einen frühen Behandlungsbeginn entscheidend reduziert wird.

Warum fällt es vielen Patienten dennoch so schwer, ihre Medikamente von Beginn an konsequent zu nehmen?

Meist fühlen sich diese Menschen übertherapiert. Sie fragen sich, warum sie Medikamente einnehmen sollen, wenn es ihnen doch gerade ganz offensichtlich gut geht. Manche von ihnen können wir Ärzte auch mit der aktuellen Datenlage nicht überzeugen. Unser Problem ist: Wir können tatsächlich nicht vorhersagen, wie schnell die MS bei einem bestimmten Patienten voranschreiten wird. Also behandeln wir lieber alle konsequent von Beginn an.

Was kann dem Patienten dabei helfen, seine Medikamente regelmäßig zu nehmen, auch wenn er womöglich kaum Symptome verspürt?

Entscheidend ist es, den Patienten aufzuklären: über den möglichen Verlauf der MS, aber auch über Nebenwirkungen und Risiken der verordneten Präparate. Wer weiß, dass eine bestimmte Nebenwirkung in der Regel nach einigen Wochen vergeht, wird die Anfangsphase leichter durchstehen als jemand, der diese Information nicht erhalten hat.

Gibt es Apps, die an die Medikamenteneinnahme erinnern und zu ihr motivieren?

Ja, wir Ärzte vom NTC-Netz bieten beispielsweise die kostenlose App Patient Concept an, die über viele weitere nützliche Funktionen verfügt und auch Terminvereinbarungen und das Ausstellen von Folgerezepten erleichtert. Neben dieser App gibt es noch eine Reihe anderer, etwa die MyTherapy Tabletten Erinnerung.

Welche Rolle spielt der Arzt für die Therapietreue – gerade in einem frühen, noch relativ symptomarmen Stadium der MS?

In meinen Augen eine sehr wichtige. Der Arzt sollte seinen Patienten immer da abholen, wo dieser gerade steht, ihn mit seinen Sorgen und Ängsten ernst nehmen und ihn auch immer wieder zu einer konsequenten Therapie anhalten. Ein gutes Arzt-Patienten-Verhältnis ist die entscheidende Basis, um den Krankheitsverlauf der MS günstig zu beeinflussen. ab

Dr. Barbara Schwandt
Niedergelassene Fachärztin für Neurologie in Jena