Multiple Sklerose: Radfahren ist meine Therapie.

Andreas Beseler lebt seit einem Vierteljahrhundert mit Multiple Sklerose. Mit seinem Fahrrad kämpft der heute 52-Jährige gegen die unheilbare Nervenkrankheit an und ermuntert andere Menschen mit ohne ohne Handicap, es ihm gleich zu tun.

Andreas Beseler ist Ende zwanzig, als er die Diagnose MS erhält. Weil bereits nach kurzer Zeit sein Gleichgewichtssinn völlig aus dem Ruder läuft und er wegen der krankheitsbedingten Spastik kaum noch gehen kann, verschreibt ihm seine Ärztin einen Rollstuhl. Mit dem Rezept in der Hand steht Besi, wie seine Freunde ihn nennen, im Sanitätshaus. Doch dort rät man ihm, es erst einmal mit einem Gehstock zu probieren. Schließlich sei er noch viel zu jung für den Rollstuhl, später könne er noch lange genug darin sitzen. Ich habe mich überzeugen lassen und bin dann mit dem Stock wie Frankenstein durch die Gegend gelaufen. Für 50 Meter habe ich eine halbe Stunde gebraucht.

Schlüsselerlebnis am Hahnenkamm

Dann kommt der Tag, als ein ehemaliger Teamkollege, mit dem er früher Mountainbike-Rennen gefahren ist, ihn auf das Fahrrad setzt. Er hat mich am Sattel festgehalten, wie ein Vater sein Kind, erinnert sich Andreas Beseler. Nach ersten wackligen Versuchen und ein paar kleineren Stürzen fährt er bald wieder seine Hausstrecke, den Hahnenkamm im Spessart. Den Berg hochzufahren, fällt ihm leichter als die Abfahrt, bei der er schließlich auch einen Spasmus im rechten Bein bekommt. Zum Glück konnte ich einigermaßen abbremsen und ließ mich in die Büsche fallen. Als mein Freund mir helfen wollte, traf ihn mein unkontrolliert zuckendes Bein mitten ins Gesicht.

Was dieser Tag brachte: zwei lockere Zähne, eine blutige Nase und zwei – nach dem ersten Schreck – herzhaft lachende Freunde. Er weckte in Andreas Beseler aber auch den unbedingten Willen, noch energischer gegen die Symptome der Krankheit anzukämpfen. Dafür trainiert er seither mehrmals die Woche – auf dem Fahrrad, im Schwimmbad oder im Fitnessstudio. Krankengymnastik, Massagen und ein Reha-Aufenthalt stehen ebenfalls auf dem Programm. Laufen bleibt jedoch mühsam und es kommen weitere Handicaps wie Sprachprobleme, Müdigkeit, Gesichtsfeldeinschränkungen und eine schlechter werdende Feinmotorik hinzu.

Erste Wettkämpfe auf dem Rad

Was aber immer besser klappt, ist das Radfahren. Wie das kommt, erklärt ihm ein Neurologe so: Sie müssen auf dem Rad nicht auf den eigenen Beinen stehen – das macht den Unterschied. Andreas Beseler schafft sich ein Rennrad an und seine Strecken werden immer anspruchsvoller und länger. Seit 2006 nimmt er an Radrennen teil, zum Beispiel am Gerolstein-Tour-Festival und an der Jeantex Transalp. 2011 gewinnt er mit einem bis dato neuen Streckenrekord von neun Stunden und 48 Minuten den Radmarathon Mallorca M312 – gegen den damaligen Tour-de-France-Sieger Óscar Pereiro. Und im gleichen Jahr erreicht er in einer Mixed-Staffel mit einem befreundeten Paar den 2. Platz beim Ironman 70.3 European in Wiesbaden.

Möglichst lange mobil bleiben

Doch sind es nicht primär die sportlichen Erfolge, die Beseler motivieren, so konsequent und hart zu trainieren. Wichtiger ist es ihm, so lange wie möglich fit und mobil bleiben. Er leidet an der primär progredienten Form der MS, die sich durch einen kontinuierlich fortschreitenden Verlauf ohne akute Schübe oder Zeiten mit nachlassenden Krankheitszeichen äußert. Durch den Sport bin ich dem Rollstuhl zwar entkommen, aber die Symptome sind im Laufe der Jahre schlimmer geworden. Sobald ich mich etwas länger ausruhe oder im Bett liege, verkrampft und versteift sich mein ganzer Körper. Jeden Morgen hilft mir meine Frau beim Aufstehen und wenn ich auf einer Radtour bin, steht mir ein Freund zur Seite, berichtet Beseler.

Ein Film, der Mut macht

Auch im kanadischen Sommer 2013, als er auf dem Rennrad in 30 Tagen 3.676 Kilometer von Whitehorse nach Vancouver zurücklegt, ist er nicht allein. Er wird von seinem Freund Armin im Wohnmobil und einer Filmcrew begleitet. Dabei herausgekommen ist ein Mutmachfilm, der Menschen mit einer chronischen Erkrankung oder einer Behinderung Zuversicht geben soll. Andreas Beseler: Er soll zeigen, dass man trotz einer schweren Erkrankung mit einigen Handicaps sein Leben meistern und die Lebensfreude erhalten kann.

Um anderen zu zeigen, dass es sich lohnt, nicht aufzugeben und gegen das Krankheitsschicksal anzukämpfen, hat er die Initiative Besi & friends – Rad statt Rollstuhl ins Leben gerufen. Mit Freunden organisiert der Extremsportler seitdem Charity-Events, wie im Jahr 2016 die Tour von St. Tropez am Baggersee (Rodgau/Hessen) nach St. Tropez am Mittelmeer oder in diesem Jahr die Veranstaltung 12 Stunden Hohler Buckel bei Frankfurt. Teilnehmer der Events sind sowohl Menschen mit Handicap also auch Ex-Radprofis wie Udo Bölts. Egal ob Radreise oder Tagestour – alle Erlöse gehen ebenso wie die Einnahmen des Kanada-Films an die Nathalie-Todenhöfer-Stiftung. Diese bietet Menschen mit MS, die in Not geraten sind, finanzielle Unterstützung an.

Eines der nächsten Projekte von Besi & friends: 2018 geht es in die USA zum schwersten Radrennen der Welt. In einem Viererteam werden sie das Race Across America fahren und dabei von mehreren Besi & friends-Helfern unterstützt. Dabei machen sich gesunde und kranke Menschen, so die Idee, gegenseitig Mut und geben einander Kraft. Oder, um es mit Andreas Beselers Worten zu sagen: Wir gehen gemeinsam über Grenzen und stellen immer wieder fest, dass man miteinander Berge versetzen kann. ak

Besi & friends
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