Parkinson: Der Krankheit davontanzen

Körperliche Aktivität hat zahlreiche gesundheitliche Vorteile für Parkinsonpatienten. Das gilt auch für ausgefallene Bewegungsarten wie Tai Chi, Karate oder Tanzen.

Kaum ist die Stunde vorbei, freut sich Ralf Stuber* bereits auf die nächste. Ich hätte nicht gedacht, dass mir Tanzen so viel Freude macht, sagt der 74-Jährige. Seit knapp zwei Monaten geht er in einen Tanzkurs für Parkinsonpatienten. Ich war bis dahin ziemlich lustlos und hatte seit der Diagnose vor sieben Jahren immer Angst, dass ich in der Öffentlichkeit stürze oder mich plötzlich nicht mehr bewegen kann. Doch dann machte ihn sein Arzt auf die Tanzstunden aufmerksam. Dort treffen sich Gleichgesinnte, die trotz der Erkrankung körperlich aktiv sein wollen. Und das ohne die Sorge, sich zu überfordern oder zu verletzen. Wir haben Spaß zusammen und motivieren uns gegenseitig, sagt Ralf Stuber.

Die Sturzgefahr sinkt

Die Bewegungsabläufe beim Tanzen fördern und fordern Körper und Geist und stärken Balance, Beweglichkeit und Koordination. Indem die Betroffenen stabiler und sicherer werden, sinkt die Gefahr von Stürzen und viele Situationen im Alltag lassen sich leichter meistern, sagt Dr. Katharina Dahmen-Zimmer, Psychologin an der Universität Regensburg.

Zusammen mit der Professorin Petra Jansen, Leiterin des Instituts für Sportwissenschaft in Regensburg, untersucht Dahmen-Zimmer die körperlichen und seelischen Effekte des Tanzens und von Karate (nach den Regeln des Deutschen-Karate-Verbandes). Viele denken zunächst, dass Karate nicht der richtige Sport bei Parkinson ist, sagt Dahmen-Zimmer. Aber das stimmt nicht: Ebenso wie im Tanz spricht Karate den gesamten Körper und den Geist an. In einer Studie untersuchen Wissenschaftler um Dahmen-Zimmer daher jetzt, wie sich ein vereinfachtes Karate- und Tanztraining auf Gefühle, Bewegungsabläufe und Denkleistungen bei Parkinsonpatienten auswirkt.

Erste Erkenntnisse der Untersuchung, die gegen Ende des Jahres abgeschlossen sein wird, zeigen bereits deutliche Effekte. Demnach berichten Patienten, die regelmäßig ein Mal pro Woche tanzen oder Karate erlernen, dass sich ihre motorische Geschicklichkeit deutlich verbessert habe, sie fühlen sich weniger depressiv und zufriedener mit ihrem Leben als zuvor. In Teilen bestätigt die Studie damit bisherige Erkenntnisse, unter anderem von Forschern der Washington University School of Medicine in St. Louis, USA. Ihnen zufolge stärkt Tangotanzen den Gleichgewichtssinn von Parkinsonpatienten deutlich und nachhaltig.

Und besonders erfreulich: Viele Teilnehmer möchten auch nach Beendigung der Regensburger Studie engagiert und mit Freude weiter trainieren.

Asiatisches Training im Vorteil

Auch Tai Chi – manche bezeichnen es als chinesisches Schattenboxen – kann sich positiv auf Körper und Geist von Parkinsonpatienten auswirken. Die Bewegungsabläufe, die im 17. Jahrhunderts ursprünglich zur Selbstverteidigung entwickelt wurden, erfordern eine gleichmäßige, zeitlupenartige und präzise Ausführung.

Dass Tai Chi gesundheitliche Vorteile für Parkinsonpatienten haben kann, belegen inzwischen mehrere Untersuchungen. Unter anderem verglich eine Studie von US-Medizinern am Oregon Research Institute Tai Chi bei leichter bis mittlerer Krankheitsausprägung mit herkömmlichem krankengymnastischem Krafttraining und einfachen Dehnübungen.

In der Dehngruppe verschlechterte sich die Beweglichkeit der Patienten erwartungsgemäß aufgrund der fortschreitenden Erkrankung. Dagegen zeigten Krafttraining und Tai Chi deutliche positive Effekte, wobei das asiatische Training am besten abschnitt. Die Patienten konnten sich freier bewegen und meisterten Herausforderungen des Alltags besser: Sich zu strecken, um Dinge aus dem Schrank zu nehmen, fiel ihnen leichter und sie konnten sich besser allein hinsetzen und sicherer laufen.

Kraft und Ruhe

Doch Tai Chi vermag noch mehr. Mit zunehmender Aktivierung und Stärkung der Skelettmuskulatur durch Bewegung und dem Abbau von muskulären Verspannungen gelingt es vielen Patienten, sich selbst besser wahrzunehmen und sich auf innere Prozesse zu konzentrieren und einzulassen.

Tai Chi besteht aus spezifischen Bewegungs- und Atemtechniken, mit denen Energien ausgeglichen werden können. Verbunden mit der positiven Einstellung, seine Gesundheit verbessern zu wollen, können Selbstheilungskräfte manifestiert werden, sagt Carolin Melcher, Tai Chi-Lehrerin aus Dortmund.

Ihr Vater war ebenfalls an Parkinson erkrankt und ihre Erfahrung zeigt: Die Betroffenen lernen, Bewegungseinschränkungen und Schmerzen loszulassen beziehungsweise anzunehmen. Dadurch werden die Patienten ruhiger und entspannter. Das wiederum erleichtere den Umgang mit der Erkrankung.

Zudem gelinge es manchen Patienten durch regelmäßiges Training, Ängste abzubauen und Depressionen zu lindern. Ein Problem vieler Patienten ist, dass ihr Geist nicht zur Ruhe kommt und ihre negativen Gedanken unaufhörlich kreisen. Hier kann die Meditation im Rahmen der Tai Chi-Praxis sehr gut helfen.

Dabei ginge es um Regulierung der Atmung, des Körpers durch Bewegung und die Achtsamkeit und Aufmerksamkeit des Bewusstseins – drei Faktoren, die für die Gesundheit und die Freude am Leben verantwortlich seien, sagt Carolin Melcher. Sie führen zu einer positiven Stimmung und zu innerer Harmonie. Insgesamt erhöhe das Training die Selbstsicherheit im Alltag und steigere die Lebensqualität.

Ähnliches gilt für das Tanzen. Ralf Stuber: Ich bin durch die regelmäßige Aktivität körperlich fitter geworden und kann den Alltag besser bewältigen. Ich habe auch gelernt, mich von der Krankheit nicht unterkriegen zu lassen. Deshalb bleibe ich auf jeden Fall dabei und tanze dem Parkinson einfach davon! ag