Arzt und Patient im Dialog: Alles eine Frage der Kommunikation
Nicht immer gestaltet sich das Gespräch zwischen Arzt und Patient zur beiderseitigen Zufriedenheit. Oft mangelt es an Zeit, Verständnis und vielem anderen mehr. Doch es gibt Wege, den Dialog zu verbessern. Wer sie nutzt, erhöht die Chance, dass nicht nur das Miteinander, sondern auch die Behandlung erfolgreicher verläuft.
Die Zeit ist knapp bemessen: Weniger als acht Minuten hat ein Arzt im Schnitt pro Patient zur Verfügung. Keine fünfhundert Sekunden, um Symptome zu erfassen, körperliche Untersuchungen vorzunehmen, eine Diagnose zu stellen, die passende Therapie auszuwählen – und dann auch noch die wichtigsten Stichpunkte in den Computer zu tippen. Kein Wunder, dass in dieser Situation viele Fragen der Patienten auf der Strecke bleiben. Ebenso wenig erstaunt es, dass immer mehr Patienten aus genau diesem Grund versuchen, sich die fehlenden Informationen aus dem Internet zu holen. Ganz ohne Risiken ist das allerdings nicht. Wer googelt, findet mit Sicherheit stets eine Vielzahl schwerer Krankheiten, die genau zu den eigenen Symptomen passen
, sagt Beatrice Brülke von der gemeinnützigen Initiative Was hab’ ich?
(siehe rechts). Oft sei der Patient nach einer solchen Internetrecherche verwirrter und besorgter als zuvor.
Seriöse Informationen sind wichtig
Wie korrekt, aktuell und neutral die Gesundheitsinformationen aus dem Netz sind, ist für die meisten Menschen ohnehin nur schwer zu beurteilen. Und so stößt die Tatsache, dass sich immer mehr Patienten im Internet nach Informationen zu ihrer Krankheit umsehen, auch bei den Ärzten nicht uneingeschränkt auf Begeisterung.
Laut einer Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der Barmer-Krankenkasse aus dem Jahr 2016 empfindet mehr als die Hälfte der niedergelassenen Ärzte informierte Patienten zumindest als problematisch. 45 Prozent der Ärzte stimmen zudem der Aussage zu, die Selbstinformation der Patienten erzeuge vielfach unangemessene Erwartungen und Ansprüche, was die eigene Arbeit belaste. Fast ein Drittel der Mediziner ist der Ansicht, dass das Stöbern im Internet die Patienten meist verwirrt und das Vertrauen zum Arzt beeinträchtigt. Nahezu jeder vierte Arzt rät Patienten sogar von der eigenständigen Suche nach Informationen ab.
Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass es viele Ärzte gibt, die gut informierte Patienten begrüßen – auch weil die Gespräche, die sie mit ihnen führen können, effektiver sind
, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Brülke. Entscheidend sei daher vor allem, den Patienten möglichst seriöse Informationsquellen an die Hand zu geben, in denen beispielsweise auch die Grenzen der zur Verfügung stehenden Therapieoptionen für eine bestimmte Krankheit aufgezeigt würden (siehe Seite 7).
Ein gut informierter Patient wird nicht nur besser mit seinem Arzt kommunizieren können. Auch für den Erfolg einer Behandlung ist sein Wissen entscheidend. Wer den Sinn einer therapeutischen Maßnahme versteht, wird diese in aller Regel konsequenter und zuverlässiger umsetzen – also ein Medikament beispielsweise auch dann einnehmen, wenn sich der Erfolg nicht kurz-, sondern erst längerfristig einstellt
, sagt Brülke.
Oft mangelt es an der Therapietreue
Dass es bislang an der Therapietreue vieler Patienten mangelt, haben Studien immer wieder gezeigt. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO kommt rund die Hälfte aller Medikamente, die chronisch Kranken verschrieben werden, niemals zum Einsatz. Sei es, weil die Rezepte erst gar nicht in der Apotheke eingelöst werden oder weil die Arz-neien zu Hause schlicht in den Müll wandern.
Dabei könnten gerade die Ärzte nach Ansicht vieler Experten eine Menge für die Therapietreue, die sogenannte Adhärenz, ihrer Patienten tun. Sowohl für die Adhärenz als auch für den Therapieerfolg sei die Kommunikation mit dem Patienten eine wich-tige Stellschraube, wurde der Essener Psychologe Professor Manfred Sched-lowski kürzlich im Deutschen Ärzteblatt zitiert: Die Art und Weise, wie der Arzt mit seinem Patienten spreche, wie er ihn informiere und auf ihn eingehe, beeinflusse den Ausgang einer therapeutischen Maßnahme oft ganz entscheidend.
Umfragen der Bertelsmann Stiftung aus den vergangenen Jahren haben zudem wiederholt gezeigt, dass etwa drei von vier Patienten die Entscheidung bezüglich ihrer Therapie nicht allein dem Arzt überlassen wollen, sondern sie zusammen mit ihm oder sogar allein treffen möchten. Das aber geht nun einmal nicht ohne fundiertes Wissen.
Viele Ärzte verfallen in Fachsprache
Um dieses zu erlangen, ist nicht nur mehr Zeit für den Austausch zwischen Arzt und Patient erforderlich. Ebenso wichtig ist die Sprache, mit der sich der Mediziner dem Patienten verständlich zu machen versucht. Die meisten Menschen erleben es immer wieder, dass der Arzt mit ihnen spricht, als säße nicht ein Laie, sondern ein Kollege auf der anderen Seite des Schreibtisches – bei dem man in schöner Selbstverständlichkeit einen medizinischen Fachausdruck nach dem anderen hervorholen kann.
So verständlich ein solches Verhalten sein mag: Falsch ist es, zumindest aus Sicht der Patienten, trotzdem. Für die Kommunikation der Ärzte untereinander ist die Fachsprache natürlich sinnvoll
, sagt Beatrice Brülke. Sie sei präziser und kürzer.
In der Tat dauert es länger, einen medizinischen Fachbegriff so zu umschreiben, dass er auch für Laien verständlich ist. Das kann jeder nachempfinden, der es schon einmal versucht hat – beispielsweise um Freunden oder Angehörigen die eigene Krankheit zu erläutern. Doch die Zeit ist hier nicht das alleinige Problem: Viele praktizierende Mediziner haben nie ein Gespür dafür entwickelt, was für Patienten verständlich ist und was nicht
, sagt Brülke.
Patienten sollten stets nachfragen
Erschwert wird die Situation durch die Tatsache, dass die Mehrzahl der Patienten sich scheut, Fragen zu stellen. Für manche von ihnen ist der Arzt auch heute noch eine Art Halbgott in Weiß
, sagt Brülke. Andere mögen ihr fehlendes Wissen vielleicht nicht zugeben oder sie sind schlicht zu aufgeregt, um an den entscheidenden Stellen nachzuhaken.
Mit diesem Vorsatz aber sollte man als Patient in jedes Gespräch mit dem Arzt hineingehen. Denn wer nicht fragt, steht hinterher vielleicht ganz schön dumm da. Manche Untersuchungen zeigen, dass Patienten, sobald die Tür zum Arzt hinter ihnen zugefallen ist, bis zu 80 Prozent der Informationen entweder erst gar nicht aufgenommen oder bereits wieder vergessen haben
, sagt Brülke.
Doch auch viele Ärzte müssen in dieser Hinsicht noch einiges lernen. Denn zumindest im Rahmen ihrer Ausbildung ist der Dialog mit dem Patienten an den meisten Universitäten hierzulande noch nicht vorgesehen. Zwar haben immer mehr Hochschulen das Thema inzwischen auf dem Schirm und bieten entsprechende Kurse an
, sagt Brülke. Doch als verbindliches Fach existiert es bislang an keiner einzigen hiesigen Universität.
Die Initiative Was hab’ ich?
, die seit sechs Jahren ärztliche Befunde für Patienten in leichtverständliches Deutsch übersetzt, ist auch auf diesem Feld bereits aktiv geworden: An vier Universitäten Deutschlands, in Hamburg, Marburg, Heidelberg und Dresden, bietet sie ein Wahlfach an, das angehende Ärzte in der richtigen Kommunikation mit den Patienten schult. Wir möchten die Studenten dafür sensibilisieren, wie oft sie Fachbegriffe gar nicht mehr als solche wahrnehmen
, sagt Brülke. Zudem erhalten sie konkrete Werkzeuge für leicht verständliche Sprache.
Ärztetlatein bitte nur mit Kollegen
Bis alle Mediziner gelernt haben, dass ihr Ärztelatein nur für das Gespräch mit den Kollegen taugt, wird sicherlich trotzdem noch eine ganze Weile vergehen. Bis dahin bleibt den Patienten nur eines: fragen, fragen, fragen – so lange, bis sie sicher sind, wirklich alles, was der Arzt ihnen sagt, auch verstanden zu haben. ab
Ein paar goldene Regeln für den Arztbesuch
Mit der richtigen Vorbereitung und durch eigenes Zutun können Sie das Gespräch mit dem Arzt zu Ihrer Zufriedenheit gestalten. Wir geben Ihnen Tipps, was Sie vor, bei und nach dem Arztbesuch beachten sollten.