Arzt und Patient im Dialog: Die Zukunft des Dialogs ist digital

Elektronische Formen der Kommunikation, sei es per E-Mail, Chat oder Videosprechstunde, werden das Arzt-Patienten-Gespräch verändern. Läuft alles nach Plan, dürfte künftig vor allem mehr Zeit für den Austausch bleiben.

In einem kleinen Ort in Brandenburg, 120 Kilometer entfernt von Berlin, klingelt jeden Morgen um 6.30 Uhr der Wecker von Kristin Harding. Nach dem Aufstehen steigt die 57-Jährige auf die Waage, misst ihren Blutdruck und erstellt mithilfe eines kleinen Geräts, das sie sich auf den Brustkorb legt, ein EKG. Auf ihrem Smartphone beantwortet sie noch fünf Fragen nach eventuellen Beschwerden – und schickt dann alle Daten mit einem Knopfdruck an ihre Klinik in Berlin.

Zahlreiche Chancen durch die Digitalisierung

Seit Harding vor drei Jahren einen Herzinfarkt hatte und im Anschluss eine Herzinsuffizienz festgestellt wurde, teilt sie den Ärzten in der Hauptstadt täglich ihren Gesundheitsstatus mit. Kontrolliert werden ihre Daten im gleichen Takt. Doch solange keine auffälligen Befunde vorliegen, sieht sie ihre Ärzte persönlich nur alle sechs Monate. Für die Patientin ist dieses Vorgehen beruhigend und komfortabel zugleich.

Der Fall von Kristin Harding ist kein Szenario der Zukunft, sondern schon jetzt Realität. Und er ist nur ein Beispiel dafür, welche Möglichkeiten die Digitalisierung der Medizin für alle Beteiligten bereithält. Dass die Chancen von vielen Patienten inzwischen gesehen werden, zeigt eine Forsa-Umfrage, die kürzlich die Techniker Krankenkasse (TK) in Auftrag gegeben hat. Bundesweit wurden dafür mehr als 2.000 Menschen befragt.

Demnach ist jeder zweite Erwachsene in Deutschland davon überzeugt, dass die elektronische Kommunikation den Dialog mit dem Arzt vereinfachen wird. Von den unter 30-Jährigen sagen sogar 58 Prozent, dass die Digitalisierung den Austausch mit dem Arzt unkomplizierter mache. Menschen über sechzig Jahre glauben dies zu 44 Prozent. Jeder vierte Deutsche kann sich zudem vorstellen, künftig per Videochat mit seinem Arzt zu kommunizieren.

Videosprechstunden sind im Kommen

Eine Videosprechstunde können Ärzte seit Februar dieses Jahres ihren Patienten anbieten – bislang allerdings nur zu ganz bestimmten Zwecken, etwa um die Genesung nach einer Operation zu kontrollieren. Auf eine entsprechende Vergütungsregelung hatten sich zuvor die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geeinigt. Experten rechnen damit, dass die Videosprechstunde künftig bei deutlich mehr Indikationen zum Einsatz kommen wird.

Von ihren Ärzten erwarten Patienten heute detaillierte Informationen zu Diagnosen und Therapiemöglichkeiten, sagt Klaus Rupp, der Leiter des TK-Versorgungsmanagements. Im Versorgungsalltag stünden viele Ärzte jedoch unter einem erheblichen Zeitdruck. Sie müssen daher entlastet und von unnötiger Bürokratie befreit werden, um die nötige Zeit für die Beratung zu finden. Elektronische Formen der Kommunikation könnten hierbei einen wertvollen Beitrag leisten.

Auch Dr. Norbert Schmacke, Professor für Versorgungsforschung an der Universität Bremen, ist von den Chancen der digitalen Kommunikation überzeugt. Warum sollte beispielsweise ein Patient mit einer Erkältung im Wartezimmer sitzen und andere anstecken?, fragt er. Oder die kostbare Zeit des Arztes in Anspruch nehmen, wenn er doch nur ein Folgerezept benötigt?

Natürlich lasse sich eine gute Beziehung zwischen Arzt und Patient nicht allein per Telemedizin herstellen, betont Schmacke. Doch wenn bereits eine vertrauensvolle Beziehung bestehe, werde sie durch moderne Kommunikationswege sicherlich nicht erschüttert. Und vielleicht, so hofft Schmacke, bleibt durch die Digitalisierung am Ende wirklich mehr Zeit für wichtige Gespräche. ab