Parkinson: Vertraulich

Die Diagnose Parkinson beeinträchtigt das Sexualleben vieler Betroffener. Ein Problem, das lösbar ist – wenn es offen angegangen wird.

Werbung und Fernsehen gaukeln uns vor, dass Sexualität den Jungen, Schönen und Gesunden vorbehalten ist. Dabei ist der Wunsch nach Geborgenheit, Zärtlichkeit und sexueller Lust zutiefst menschlich und begleitet uns ein Leben lang. Auch Kranke haben sexuelle Bedürfnisse und wollen diese ausleben.

Patienten, die an Parkinson leiden, haben damit aber oft große Probleme. In einer wissenschaftlichen Befragung von mehr als zweitausend Mitgliedern der Deutschen Parkinson-Vereinigung (dPV) und ihrer Partner berichteten fast alle Befragten von einer Abnahme der sexuellen Zufriedenheit seit der Diagnose Morbus Parkinson. Als eine Ursache dafür machten die Forscher das Auftreten sexueller Störungen aus. Bei den betroffenen Männern dominierten Erektionsprobleme: Während darunter vor Diagnosestellung weniger als zehn Prozent litten, war es nach Feststellung der Parkinsonerkrankung jeder Zweite. Ein Drittel klagte zudem über Orgasmusstörungen und jeder Vierte über eine Veränderung des Lustempfindens. Bei den betroffenen Frauen waren die sexuellen Belastungen geringer ausgeprägt. Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis der Studie: Nicht nur die Erkrankten, sondern auch deren gesunde Partner gaben zu Protokoll, dass es beim Sex nicht mehr so gut klappt wie vor der Erkrankung.

Sex beginnt im Kopf

Sexuelle Störungen bei Parkinson haben sowohl körperliche als auch psychische Ursachen. Zum einen behindern Muskelsteifheit, Zittern als Folge unwillkürlicher Muskelkontraktionen und allgemein eine schlechtere Beweglichkeit die Aktivität und Spontaneität im Bett. Betroffenen fällt es dadurch deutlich schwerer, Erregung zu empfinden. Weitere körperliche Symptome wie vermehrtes Schwitzen, Speichelfluss und Artikulationsschwierigkeiten verstärken das Problem. Das typische Maskengesicht vieler Parkinsonkranker und ihre Antriebslosigkeit können vom Partner leicht als Gefühl- und Lustlosigkeit missverstanden werden, weiß Dr. Herbert Mück aus seinen Patientengesprächen. Er beschäftigt sich als Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie seit vielen Jahren mit der Sexualität von Kranken, Alten und Behinderten. Versagensängste und die Sorge, in den Augen des Partners oder der Partnerin nicht mehr attraktiv genug zu sein, führen dann häufig dazu, dass die Lust tatsächlich aus dem Schlafzimmer verbannt wird.

Der Einfluss von Medikamenten

Störungen in der Sexualität von Parkinsonkranken haben jedoch nicht immer nur psychische oder körperliche Gründe. Oft spielt auch die Medika-tion eine Rolle. In der Umfrage unter dPV-Mitgliedern bestätigten 64 Prozent der Männer und 30 Prozent der Frauen den Zusammenhang zwischen eingenommenen Medikamenten und einer Veränderung ihrer Sexualität. Auch aus anderen Studien ist bekannt, dass insbesondere Medikamente wie L-Dopa und Arzneimittel aus der Gruppe der Dopamin-Agonisten zu einer übermäßigen Steigerung des sexuellen Verlangens führen können. Man spricht dann von Hypersexualität. Betroffene berichten von sexuellen Phantasien und häufigerer Selbstbefriedigung, die gleichzeitig bei vielen Schamgefühle auslösen.

Die unbeabsichtigte Lustvermehrung geht aber nicht zwangsläufig einher mit mehr sexueller Leistungsfähigkeit. Kommt es bei sexuellen Kontakten wiederholt zum Versagen, sind oft Selbstzweifel und Depressionen die Folge, erklärt Dr. Mück. Der Kölner Psychotherapeut rät in solchen Fällen, unbedingt mit dem behandelnden Arzt zu sprechen. Er kann durch die Umstellung der Anti-Parkinson-Medikation oder die Verschreibung von Gleitcremes oder erektionsfördernden Medikamenten wesentlich zur Lösung des Problems beitragen.

Kommunikation muss sein

Über Sexualität zu sprechen, fällt vielen Menschen jedoch schwer. Erziehung und Schamgefühl verhindern den offenen Umgang mit dem Thema. Hier hilft der Blick ins Internet: Die Informationsplattform bietet ein von Experten betreutes Diskussionsforum, in dem Betroffene und ihre Partner über ihre Erfahrungen berichten. Die Auseinandersetzung mit Erlebnissen anderer lässt Parkinson-patienten erkennen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind und auch keine Schuld an ihrer Situation haben.

Am wichtigsten jedoch ist die Offenheit gegenüber der Partnerin oder dem Partner. Dr. Mück empfiehlt seinen Patienten und ihren Partnern, sich darin zu üben, über sexuelle Vorstellungen, Wünsche und Sorgen zu sprechen: Im vertrauensvollen Gespräch lassen sich oft Wege finden, die allen Beteiligten ein befriedigendes Sexualleben ermöglichen. Und wer weiß: Vielleicht gewinnen die Partner dabei völlig neue Einsichten, was Sexualität für sie bedeutet – trotz Parkinsonerkrankung. tl