chronisch krank: Balsam für Körper und Geist

Bewegung tut allen Menschen gut – ganz gleich, ob sie gesund oder chronisch erkrankt sind. Wer körperlich fit ist, fühlt sich auch psychisch besser. Neueste Studien zeigen zudem, dass regelmäßiger Sport krankheitsbedingte Symptome lindern und vielleicht sogar den Verlauf neurologischer Leiden bremsen kann.

Vorsichtig tastet Lina sich mit Händen und Füßen voran. Ihre Augen sind verbunden. Erst langsam, dann immer zielstrebiger erfasst sie einen Griff nach dem anderen – und ist rasch am oberen Ende der Boulder-Wand angekommen. Früher hätte sie das nicht einmal probiert, sagt sie. Denn Lina leidet an Depressionen. Doch inzwischen traut sich die junge Frau viel mehr zu als früher. Das Bouldern, sagt sie, habe ihr dabei geholfen.

Sport tut dem Körper und der Psyche gut

Nicht nur Lina ist dabei, aus ihrer Schwermut herauszuklettern. Immer mehr Menschen mit Depressionen oder anderen neurologischen Erkrankungen haben entdeckt, wie sehr sie vom Sport und von regelmäßiger Bewegung profitieren. Sie laufen oder tanzen gegen die Parkinsonkrankheit an und radeln ihrer Multiplen Sklerose oder der ALS so gut es geht davon. Wissenschaftliche Studien geben den Patienten recht: Zahlreiche Untersuchungen haben inzwischen gezeigt, wie wichtig es insbesondere für Menschen mit chronischen neurologischen Erkrankungen ist, körperlich aktiv zu bleiben, sagt der Sportmediziner Professor Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln.

Sport tut einfach gut – sowohl dem Körper als auch der Psyche und nicht nur gesunden, sondern vor allem auch kranken Menschen. Studien mit MS-Patienten beispielsweise haben gezeigt, dass regelmäßige Bewegung die Muskelkraft erhöht, das Gleichgewicht verbessert und das Fatigue-Syndrom lindern kann. Zudem erlebe ich immer wieder, dass Patienten, die viel Sport treiben, ihre Krankheit besser bewältigen als körperlich wenig aktive Menschen, sagt die Neurologin Dr. Sibylla Hummel von der NTC-Gemeinschaftspraxis für Neurologie & Psychiatrie am Universitäts-Herzzentrum Bad Krozingen.

Das Training verändert Prozesse im Gehirn

Die positiven Auswirkungen von Sport auf die Psyche seien immens, pflichtet ihr die Psychologin Dr. Katharina Luttenberger bei, die an der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen viel mit Depressionspatienten wie Lina arbeitet. Mittlerweile mehren sich zudem die Hinweise, dass regelmäßiges Training zahlreiche biologische Prozesse im Gehirn positiv beeinflusst, ergänzt der Sportmediziner Bloch. Womöglich lasse sich mit Sport sogar der Verlauf neurologischer Erkrankungen bremsen.

Schonung gilt heutzutage jedenfalls als Irrweg. Während man früher etwa Menschen mit MS dazu riet, sich keinesfalls zu überanstrengen, fordern Mediziner auch diese Patienten inzwischen nachdrücklich dazu auf, körperlich aktiv zu bleiben und dabei auch mal an die eigenen Grenzen zu gehen. Mittlerweile gilt es als bewiesen, sagt die NTC-Expertin Hummel, dass es keine neurologische Krankheit gibt, bei der man auf Sport verzichten sollte.