Multiple Sklerose: Der HIT
fürs Gehirn
Ein hochintensives Intervalltraining, kurz HIT genannt, fördert einer Kölner Studie zufolge die Kognition von MS-Patienten. Auch auf die Blut-Hirn-Schranke scheint sich die Methode positiv auszuwirken. Wer regelmäßig kurz, aber dafür umso intensiver Sport betreibt, kann auf lange Sicht vielleicht sogar die Zahl seiner Schübe reduzieren.
Sie treten drei Minuten lang sehr kräftig in die Pedale und legen dann 90 Sekunden Pause ein. Das Ganze fünf Mal hintereinander und drei Mal in der Woche. So gestaltet sich das hochintensive Intervalltraining, kurz HIT, das zwei Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) eigens für MS-Patienten entwickelt haben.
Professor Wilhelm Bloch und Dr. Dr. Philipp Zimmer vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin der DSHS konnten kürzlich in einer Studie zeigen, dass das kurze, intensive Training eine ganze Reihe positiver Effekte auf den Verlauf der Multiplen Sklerose hat – und dabei einem moderaten Ausdauertraining deutlich überlegen ist.
Mehr Zeit zur Regeneration
Bloch und Zimmer hatten 60 MS-Patienten mit leichten bis mittelschweren Einschränkungen – die EDSS-Werte lagen zwischen 1,0 und 6,5 – in zwei Gruppen eingeteilt. Die eine Gruppe nahm drei Wochen lang auf dem Fahrradergometer am HIT teil. Während der Trainingsintervalle sollten die Patienten etwa 80 Prozent ihrer maximalen Leistungsfähigkeit erreichen.
Die andere Gruppe trainierte über den gleichen Zeitraum hinweg sogar fünf Mal pro Woche jeweils eine halbe Stunde lang auf dem Ergometer – allerdings nur bei 65 Prozent ihrer maximalen Leistungsfähigkeit, also eher moderat. Das Training der HIT-Gruppe war somit zwar deutlich belastungsintensiver, aber die Probanden hatten mehr Zeit zur Regeneration – also auch mehr Zeit, um die Trainingsreize physiologisch umzusetzen
, sagt Bloch und deutet damit einen möglichen Wirkmechanismus des HIT an.
Das verbale Gedächtnis besserte sich
Wie die Kölner Forscher gemeinsam mit den Schweizer Kollegen Professor Jürg Kesselring und Dr. Jens Bansi in der Fachzeitschrift Multiple Sclerosis Journal berichten, schnitten die Teilnehmer der HIT-Gruppe bei anschließenden Tests zum verbalen Gedächtnis im Schnitt deutlich besser ab als die Patienten, die nur moderat trainiert hatten. Sowohl das Erinnerungsvermögen als auch die Konzentrationsfähigkeit waren durch das Intervalltraining anscheinend gestärkt worden.
Darüber hinaus machten die Wissenschaftler noch eine andere interessante Entdeckung: Die Konzentration bestimmter Enzyme im Blut, der Matrix-Metalloproteasen (MMP), war durch das HIT ganz offenbar gesunken. Die MMP-Werte sind bei MS-Patienten in der Regel erhöht
, erläutert Zimmer. Die Enzyme bewirken, dass die Blut-Hirn-Schranke löchriger wird – Immunzellen also vermehrt vom Blut ins Gehirn eindringen können und dort die gefürchteten entzündlichen Prozesse auslösen. Sind weniger MMP im Blut, so wie es bei den Probanden der HIT-Gruppe der Fall war, sollten folglich weniger Schübe auftreten
, sagt Zimmer. Ob dies tatsächlich so sei, müssten allerdings künftige Studien noch zeigen.
Und schließlich machte das HIT unseren Probanden auch schlicht mehr Spaß als das moderate Ausdauertraining
, ergänzt Bloch. Das ist wichtig, denn ohne Freude an der Bewegung bleiben nur die wenigsten Patienten bei der Stange.
Langfristige Effekte auf den Krankheitsverlauf aber können nur bei regelmäßigem Training erwartet werden.
Nur unter Aufsicht eines Trainers
Konsequent umgesetzt werden die Prinzipien des HIT bereits in den Reha-Einrichtungen der Kliniken Valens in der Schweiz, mit denen die Kölner Sportmediziner seit Jahren eng zusammenarbeiten. Prinzipiell kann das Training aber in jedem Reha-Zentrum oder Fitnessstudio absolviert werden
, sagt Zimmer. Wichtig sei allerdings, dass niemand auf eigene Faust einfach lostrainiere. Gerade ältere Patienten oder solche mit Begleiterkrankungen sollten ihre Pläne zunächst mit einem Arzt besprechen
, rät Bloch. Und das Training selbst sollte immer unter Aufsicht erfolgen – also nur dort, wo geschulte Fitnesstrainer sind.