Schlaganfall: Mehr Zeit für die rettende Therapie

Selbst wenn der Zeitpunkt eines Hirninfarkts ungewiss ist, lohnt sich oft eine medikamentöse Sofortbehandlung. Diese Erkenntnis verbessert die Therapiechancen deutlich, vor allem nach einem nächtlichen Hirninfarkt.

Etwa jeder siebte Schlaganfall passiert im Schlaf, ohne dass man etwas davon merkt. Erst nach dem Aufwachen kommt einem womöglich etwas komisch vor: unscharfes Sehen, Kopfschmerzen oder die Hand, die einem nicht mehr gehorcht. Das könnten Anzeichen eines lebensbedrohlichen Hirninfarkts sein. Deshalb sollte man im Zweifelsfall sofort die 112 rufen. Denn je eher die Ärzte einen Schlaganfall behandeln können, desto besser die Chancen, dass sich das Gehirn weitgehend oder ganz und gar erholt. Erste Wahl für die Sofortbehandlung eines Infarkts ist die Thrombolyse. Dabei wird ein Medikament in die Vene gespritzt, das die gefäßverstopfenden Blutgerinnsel – sie führen zur Mangeldurchblutung des Gehirns und sind die häufigste Ursache für Schlaganfälle – auflöst.

Schnellere Hilfe möglich

Bislang galt: Eine Thrombolyse hilft am ehesten, wenn sie in den ersten 4,5 Stunden nach einem Hirninfarkt verabreicht wird. Die WAKE-up-Studie des Uniklinikums Hamburg zeigt jetzt: Oft bleibt mehr Zeit für gerinnungslösende Medikamente, die das Gehirn und oft auch Leben retten können. Das ist eine ausgesprochen gute Nachricht, von der viele Menschen profitieren können. Denn pro Jahr kommt es in Deutschland zu 270.000 Hirninfarkten und in 20 Prozent aller Fälle ist nicht klar, wann er sich genau ereignet hat. In absoluten Zahlen sind das jährlich mehr als 50.000 Betroffene und für sie gilt: Ab sofort können auch Schlaganfallpatienten mit unbekanntem Symptombeginn damit rechnen, eine Thrombolyse als Akutbehandlung zu erhalten, sagt Professor Götz Thomalla vom Universitätsklinikum Eppendorf in Hamburg. Unter seiner Leitung wurden 530 Patienten – die meisten von ihnen nach nächtlichem Schlaganfall – mittels einer speziellen Untersuchung ausgesucht und entweder mit Thrombolyse oder einem Scheinmedikament behandelt. Nach 90 Tagen erreichten 53,3 Prozent der mit Thrombolyse behandelten Patienten ein sehr gutes klinisches Ergebnis, in der Kontrollgruppe waren es nur 41,8 Prozent.

Spezielle Diagnostik nötig

Was eine flächendeckende Umsetzung des neuen, vielversprechenden Behandlungsansatzes hemmt, ist die Tatsache, dass die Akutdiagnostik bei Verdacht auf Schlaganfall in vielen Kliniken per Computertomografie (CT) erfolgt. Um zu erkennen, ob Zeit für eine rettende Thrombolyse bleibt, ist eine komplexere Untersuchung im Magnetresonanztomograph (MRT) erforderlich.

Die Umsetzung könnte im Klinikalltag schwierig werden, gibt der Präsident der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft Professor Armin Grau zu bedenken. Immerhin verfügten Schlaganfallzentren in der Regel über MRT-Einrichtungen, ergänzt Thomalla. Der Neurologe geht daher davon aus, dass die Leitlinie zur Behandlung des ischämischen Hirninfarkts demnächst aktualisiert und die MRT-basierte Thrombolyse bei unbekanntem Zeitfenster bald Standard wird. kb