Parkinson: Trotz Parkinson lange selbstständig bleiben

In der Komplextherapie lernen Patienten, im Alltag besser zurechtzukommen.

Parkinson ist eine langsam fortschreitende neurologische Erkrankung. Sie zerstört Nervenzellen in einer Hirnregion, die für die Koordination von Bewegungen zuständig ist. Betroffene haben zunehmend Schwierigkeiten, sich sicher auf den Beinen zu halten. Sie leiden an Muskelsteifheit, Zittern und ganz allgemein an einer Verlangsamung der Bewegungsabläufe.

Daneben zeigen viele Parkinson-patienten aber auch Symptome, die nichts mit dem Bewegungsapparat zu tun haben. Zum Beispiel Verdauungsprobleme oder Schlafstörungen, die oft zu einer starken Tagesmüdigkeit führen. Auch die Psyche kann Schaden nehmen: Depressionen, Antriebslosigkeit oder Schwierigkeiten mit der Sexualität sind bei Parkinsonpatienten nicht selten. Doch häufig bleiben derlei Beschwerden unbehandelt. Diese Lücke kann durch die sogenannte Komplextherapie geschlossen werden.

Bei dieser Therapie kümmert sich während eines bis zu 21 Tage dauernden Krankenhausaufenthalts ein Team aus Fachärzten und Therapeuten verschiedener Fachrichtungen um den Patienten. Das können Physiotherapeuten, Logopäden, Sporttherapeuten oder Ergotherapeuten sein. Gemeinsam erarbeiten sie einen maßgeschneiderten Behandlungsplan.

Täglich mehr als 1,5 Stunden individuelle Anwendungen

»Ziel der Komplextherapie ist es, den Patienten einen Teil ihrer Lebensqualität zurückzugeben und einer weiteren Verschlechterung vorzubeugen«, erläutert Professor Martin Keck, Direktor und Chefarzt der Klinik am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. Zu ihm kommen Parkinsonerkrankte, wenn der niedergelassene Facharzt an einem bestimmten Punkt der Behandlung nicht mehr weiterkommt– zum Beispiel, weil die Angstgefühle des Patienten überhandnehmen. »Wir beobachten den Patienten dann über einen längeren Zeitraum rund um die Uhr, probieren eventuell andere Medikamente aus und geben ihm mit Begleittherapien wieder mehr Selbstsicherheit«, sagt Martin Keck. Ergotherapeuten helfen zum Beispiel, alltägliche Bewegungen wie das Essen mit Messer und Gabel wieder besser zu bewältigen. Logopäden kümmern sich um Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen, Physiotherapeuten um Probleme mit dem Gleichgewicht. Alle Experten bilden zusammen ein Team, das sich intensiv um jeden einzelnen Patienten kümmert.

Vorbereitung für das Leben zu Hause

»Wichtig ist, dass der Alltagstransfer klappt«, betont Keck. Die Komplextherapie am Münchner Max-Planck-Institut sieht deshalb auch „Belastungsproben“ vor, wie der Klinikdirektor das nennt. »Unsere Patienten verbringen dann während des Krankenhausaufenthalts schon mal ein Wochenende zu Hause, um das Gelernte anzuwenden.« Und für die Zeit nach der Entlassung aus dem Krankenhaus hält der Sozialdienst wertvolle Tipps bereit. »Oft findet die Kontaktanbahnung zu Selbsthilfegruppen oder anderen Hilfseinrichtungen schon bei uns statt«, sagt Keck.

Der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie betrachtet die Komplextherapie als sinnvolle Maßnahme, um die Selbstständigkeit von Parkinson-erkrankten so lange wie möglich zu erhalten. Das sehen auch die Krankenkassen so. Deshalb steht jedem Parkinsonpatienten zweimal im Jahr eine Komplextherapie zu. Voraussetzung für die stationäre Aufnahme ist die Anmeldung durch den Haus- oder Facharzt oder – wie im Fall der Max-Planck-Klinik in München – durch persönliche Vorstellung in der Ambulanz für Bewegungsstörungen. tl