Polyneuropathien: Im Fokus: Medizinische Leitlinien
Welche Behandlung ist die richtige für den einzelnen Patienten? Und gibt es dazu Alternativen? Überblick und Orientierung geben medizinische Leitlinien.
Bei Leitlinien handelt es sich um systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte zur angemessenen Vorgehensweise bei speziellen Gesundheitsproblemen. Die Leitlinien sollten dem aktu-ellen Forschungsstand entsprechen und fassen die übereinstimmende Auffassung von Experten verschiedener Fachbereiche zu bestimmten medizinischen Maßnahmen zusammen. Zum Teil werden bei der Erstellung der Leitlinien auch Patientenorganisationen miteinbezogen.
Therapien im Pro und Contra
Die Leitlinien sollen für Transparenz sorgen, indem sie das Wissen aus klinischen Studien und aus Praxiserfahrungen bündeln und bewerten sowie Nutzen und Risiken der Behandlungsmöglichkeiten gegeneinander abwägen.
Im Gegensatz zu Richtlinien sind Leitlinien jedoch nicht rechtlich verbindlich, sondern dienen lediglich als Empfehlungen.
Der Arzt hat einen gewissen Handlungsspielraum, innerhalb dessen er von diesen abweichen darf oder sogar muss – etwa wenn die Leitlinien auf-grund besonderer Risikofaktoren des Patienten nicht angewendet werden können.
Entscheidet sich der Arzt für oder gegen eine bestimmte Therapie, kann es sein, dass er dies unter dem Begriff „Leitlinien-gerecht“ und zusammen mit den entsprechenden wichtigsten Fakten erläutert. Wenn der Patient dieses Vorgehen versteht, ist es Erfahrungen aus der Praxis zufolge wahrscheinlicher, dass er die Therapie akzeptiert und ihr, auch über längere Zeit und trotz möglicher Nebenwirkungen, treu bleibt.
Für einige Erkrankungen gibt es Patientenleitlinien. Diese laiengerechte „Übersetzung“ der fachlichen Empfehlungen können dazu beitragen, dass der Patient über ein besseres Grundverständnis rund um seine Erkrankung verfügt und einen eigenen Beitrag zur Therapieentscheidung leisten kann.
Neu bei entzündlichen Polyneuropathien
Für Neurologen, die Patienten mit entzündlichen Polyneuropathien, wie dem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) oder der Chronischen Inflammatorischen Demyelinisierenden Polyneuropathie (CIDP), behandeln, steht nun eine neue Leitlinie zur Verfügung. Sie wurde im August 2018 von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) herausgegeben.
Diese Leitlinie bestätigt unter anderem, dass beim GBS eine spezielle „Blutwäsche“, die Plasmapherese, sowie Immunglobuline die effektivsten Therapieformen sind. Dagegen hat die alleinige Gabe von Kortikosteroiden (Cortison) keinen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Sie kann die Erholung sogar behindern – wie Studien zeigen.
CIDP-Patienten sollten, so die Leitlinie, mit Kortikosteroiden oder Immunglobulinen behandelt werden. Hierfür kommen sowohl die intravenöse Gabe, bei der die Antikörper als Infusion in die Vene gelangen, als auch die subkutane Anwendung unter die Haut infrage. Sollten sich diese Therapien als unwirksam erweisen, kommt eine Plasmapherese in Betracht.
Darüber hinaus sollten Patienten mit CIDP eine Physiotherapie erhalten und neuropathische Schmerzen sollten gegebenenfalls behandelt werden. Auch für diese spezielle Schmerzformen, die infolge von Nervenerkrankungen auf-treten können, gibt es spezifische Leitlinien. ag