Multiple Sklerose: Auf eigene Faust

Statt sich geruhsame Sommerferien zu gönnen, hat Heike Urban Shanghai und Singapur erkundet. Weitgehend in Eigenregie und zusammen mit ihrer Tochter. Doch wie schafft man solche Städtetouren, wenn das Gehen schwierig wird?

Am Anfang stand der Traum, China kennenzulernen. Darauf hatte sich Heike Urban lange gefreut. Das Geld für die Reise war fast beisammen, da kam ihr die Krankheit zuvor. Ein Sturz auf dem Weg zur Bushaltestelle führte zur Diagnose: Multiple Sklerose, stetig fortschreitend (PPMS). Bei dieser Form der MS bilden sich immer mehr Nervenschäden, die zu Gangstörungen führen. Medikamente können diesen Prozess zwar verlangsamen, aber nicht zum Stillstand bringen Zeitweise kam Heike Urban nur mit dem Rollstuhl voran.

Immer nach vorne sehen

Doch die 56-Jährige, die weiterhin in ihrem Beruf als Sozialpädagogin arbeitet, gab nicht auf und kämpfte gegen ihre Lähmung im Bein an. In einer MS-Klinik lernte sie vor zwei Jahren wieder laufen. Seitdem steuert sie per Hand mit einer Orthoprothese den rechten Fuß, der sich von allein nicht mehr heben lässt. Das eiserne Gehtraining zahlte sich aus: Vergangenen Sommer buchte sie ihren Flug nach Fernost. Alle hielten mich für verrückt , erzählt Heike Urban, aber ich wollte unbedingt dorthin.

In Shanghai wurde sie von ihrer Tochter Mathilde, die in China ein Auslandsjahr verbrachte, am Flughafen abgeholt. Ein kostenloser Rollstuhlservice hatte sie schon beim Abflug zum Gate gebracht. Auch nach der Ankunft wurde sie bis ans Gepäckband gerollt. Dass ihr Koffer erst Stunden später ankam, nahm sie gelassen hin. Ohnehin bringt die berufstätige Mutter mit MS kaum noch etwas aus der Ruhe.

Shanghai fordert heraus

Eine Woche lang tauchte Heike Urban ein in die Weltstadt. Rechts gestützt auf ihren Gehstock, links untergehakt bei der Tochter. Man könnte auch sagen: entschleunigt. So kommt man Land und Leuten nah und hat Zeit genug, Seltsames zu entdecken – etwa giftgrüne Semmeln als Hipster-Frühstück im futuristischen Shanghai.

Städtetouren sind meistens anstrengend. Woher nahm Heike Urban die Kraft dafür? Der Elan meiner Tochter hat mich mitgerissen , sagt sie. Mathilde, 22 Jahre alt, habe die Tagesausflüge geplant, die Fahrkarten besorgt und eine Engelsgeduld aufgebracht. Wichtig ist wohl auch eine unerschütterliche Zuversicht: Ich habe jeden Morgen gebetet, dass ich nicht hinfalle , sagt Heike Urban. Die vielen spiegelglatten Treppen in der Stadt machten es ihr oft schwer: Shanghai ist fantastisch, aber eben nicht barrierefrei.

Entspannungsbad im Ozean

Singapur erlebte sie ganz anders. In dem südostasiatischen Stadtstaat nehme man überall Rücksicht auf Menschen mit Handicap, berichtet Heike Urban. An das rauschende Volksfest am 8. August, am Tag der Unabhängigkeit, erinnert sie sich besonders gern. Und natürlich an den Badeausflug auf die Insel Santosa. Sich einfach treiben zu lassen in der türkisblauen Lagune – ein perfekter Abschluss nach einer Tour durch zwei Weltstädte mit tausend neuen Eindrücken und in der unermesslichen Freude, sich einen Lebenstraum erfüllt zu haben.

Details und Tipps zur Städtetour durch Shanghai finden sich auf der Internetseite für Menschen mit MS und Angehörige: . kb