Multiple Sklerose: Was der Lebensstil bewirkt

Warum Multiple Sklerose bei einigen Menschen ausbricht und wie die Krankheit verläuft, erklären Wissenschaftler sowohl mit genetischen Faktoren als auch mit dem Gesundheitsverhalten. Die Krankheit ist also kein unabänderliches Schicksal, sondern lässt sich durch eigenes Tun in gewissem Maße beeinflussen. Das zeigt die medizinische Forschung immer deutlicher.

Warum habe gerade ich MS bekommen? Diese Frage beschäftigt viele Patienten. Doch einfache Antworten gibt es nicht. Etliche Studien zeigen zwar eine familiäre Häufung, sagt Professor Aiden Haghikia, aber MS ist keine Erbkrankheit. Anders als Erbkrankheiten, bei denen einzelne Gene pathologisch verändert seien, ist die Multiple Sklerose mit Varianten in mehreren hundert Genen assoziiert, sagt der leitende
Oberarzt an der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum, St. Josef-Hospital.

Ein weiterer, entscheidender Unterschied: Bei klassischen Erbkrankheiten bricht das Leiden beim Vorliegen einer Risikokonstellation immer aus; wer MS-Risikogene trägt, erkrankt jedoch nicht zwangsläufig. Einflüsse des individuellen Lebensstils spielen eine größere Rolle als die Genetik, unterstreicht Haghikia.

Warnung vor dem blauen Dunst

Als einen wichtigen beeinflussbaren Faktor bezeichnet Haghikia den Tabakkonsum. Er verweist auf die Ergebnisse mehrerer epidemiologischer Studien, denen zufolge sich durch regelmäßiges Rauchen das MS-Risiko um das 1,2- bis 1,8-Fache erhöht.

Vor einigen Jahren zeigten Wissenschaftler zudem, dass der blaue Dunst das Fortschreiten der Krankheit beschleunigen kann: Bei Rauchern ging die anfänglich schubförmig remittierende MS schneller in die belastendere sekundär progrediente Form über als bei Nichtrauchern. Was beim Tabakkonsum auf der Ebene einzelner Körperzellen ablaufe, verstehe man aber noch nicht, sagt Haghikia. Dies werde momentan von mehreren Arbeitsgruppen weltweit untersucht.

Wenn das Sonnenvitamin fehlt

Patienten können ihr MS-Risiko nicht nur beeinflussen, indem sie auf Tabakprodukte verzichten. Auch der Vitamin-D-Spiegel spiele beim Krankheitsgeschehen eine bedeutende Rolle und lasse sich relativ einfach in den Griff bekommen, sagt Haghikia.

Seit rund fünfzig Jahren ist bekannt, dass MS in Ländern um den Äquator seltener auftritt als etwa in Europa oder den USA. Um dies zu erklären, stellten Wissenschaftler eine Hypothese auf. Demnach führt starke Sonneneinstrahlung zu höheren Vitamin-D-Spiegeln und verringert das MS-Risiko. Vitamin D entsteht aus Vorstufen unter dem Einfluss von UV-Strahlung in der Haut. Messungen zeigen, dass Menschen in äquatornahen Gegenden Vitamin-D-Spiegel über 30 Mikrogramm pro Liter Blutplasma haben, was dem Normalwert entspricht. In Deutschland liegt der entsprechende Wert bei vielen Menschen unter 20 Mikrogramm.

Auf die richtige Dosierung achten

Dass tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem sogenannten Sonnenvitamin und MS besteht, konnte vor einigen Jahren im Labor bestätigt werden. Vier Varianten im menschlichen Erbgut, die den Vitamin-D-Spiegel senken, sind auch bekannte Risikogene für MS. Unter ihrem Einfluss stellt der Körper weniger Vitamin D her – gleichzeitig steigt das MS-Risiko. Die Erkrankung schreitet bei Patienten mit niedrigen Vitaminspiegeln auch schneller fort als bei Menschen mit Werten im Normalbereich. Deshalb rät Haghikia allen Personen mit nachgewiesenem Mangel, Vitamin-D-haltige Nahrungsergänzungsmittel nach ärztlichem Rat einzunehmen, von übertrieben hohen Dosierungen rät er ab. mvdh