Multiple Sklerose: Training für die schwache Blase

Neben Ärzten, Physiotherapeuten und Ernährungsberatern stehen auch Urotherapeuten wie Daniela Schulz von der Urologischen Poliklinik Münster, MS-Patienten mit Funktionsstörungen der Blase oder des Darms beratend und schulend zur Seite.

Frau Schulz, welches Basiswissen ist bei Blasenfunktionsstörungen durch MS wichtig?

Nicht allen Patienten ist klar, dass 15-maliges Urinieren am Tag zu viel ist – um ein Beispiel zu nennen. Deshalb erkläre ich zunächst die normale Blasenfunktion. Wir sprechen über die Miktion, also die Entleerung der Harnblase, über individuelle Abweichungen und darüber, wie wichtig regelmäßige Toilettengänge sind und wie eine entspannte Körperhaltung beim Urinieren aussieht. Meine Patienten erhalten darüber hinaus ein Trink- und Miktionstagebuch, um ihr Verhalten zu protokollieren. Bei dessen Auswertung wird vielen Patienten ihr unbewusstes Fehlverhalten klar.

Was können Patienten mit MS und einer überaktiven Blase selbst tun?

Ich empfehle, regelmäßig über den Tag verteilt zu trinken. Bewährt hat sich die Sieben-Becher-Regel mit Flüssigkeitsmengen von etwa 200 Millilitern pro Portion zu sieben unterschiedlichen Zeitpunkten. Koffein- oder alkoholhaltige Getränke sollten aufgrund ihrer harntreibenden Wirkung nur in geringen Mengen konsumiert werden. Darüber hinaus rate ich Patienten, bei Harndrang nicht sofort zur Toilette zu gehen, sondern zu versuchen, das Bedürfnis etwas hinauszuzögern. Langfristig kann sich dadurch die Blasenkapazität vergrößern.

Und was empfehlen Sie bei verzögerter Entleerung?

Hier sind regelmäßige Miktionen mit genau definiertem zeitlichem Abstand empfehlenswert. Zudem empfehle ich, etwas länger auf der Toilette zu bleiben und eine zweite Miktion einzuleiten. Durch dieses Verhalten verringert sich die Menge an Restharn in der Blase. Reicht das nicht aus, zeige ich Menschen mit MS, wie sie sich selbst katheterisieren können. Zunächst erläutere ich die Methode in der Theorie und stelle den Patienten entsprechende Informationsmaterialien zur Verfügung. Dann lasse ich sie die einzelnen Schritte unter meiner Aufsicht selbst ausführen. Aber nicht nur die Technik ist wichtig, es gilt auch, grundlegende Hygieneregeln zu beachten. Wichtig ist, Haut und Hände vorab zu desinfizieren, damit keine Bakterien in die Blase gelangen und womöglich eine Harnblaseninfektion hervorrufen.

Gibt es weitere hilfreiche Übungen?

Bewährt haben sich Entspannungs- und Atemübungen, um die Blase besser kontrollieren zu können, sowie aktives Beckenbodentraining, bei dem der Beckenboden angespannt und wieder entspannt wird. Ein Physiotherapeut leitet die Patienten so an, dass sie in der Lage sind, die Übungen zu Hause zu wiederholen. Mit Biofeedback-Techniken lässt sich das Training weiter optimieren. Dabei signalisieren Elektroden, die auf den entscheidenden Muskeln platziert werden, ob die Übungen richtig ausgeführt werden. mh