Multiple Sklerose: Drei Diäten auf dem Prüfstand
Fasten, fettreich oder mediterran: Eine Berliner Studie untersucht den Einfluss der Ernährung auf die Multiple Sklerose. Es werden noch Teilnehmer gesucht.
Selbst etwas für die eigene Gesundheit tun und nicht nur auf Linderung durch Medikamente setzen – mit diesem Wunsch reisen Patienten aus ganz Deutschland regelmäßig nach Berlin. Sie nehmen an einer viel beachteten Ernährungsstudie für MS- Erkrankte teil, die den Einfluss von drei unterschiedlichen Diäten auf den Verlauf der Krankheit untersucht.
Die sogenannte NAMS-Studie (das Kürzel steht für Nutritional Approaches in Multiple Sclerosis) begann 2017 als gemeinsames Projekt der Charité und des naturheilkundlich ausgerichteten Immanuel Krankenhauses Berlin. In diesem Herbst und im Frühjahr kommenden Jahres werden zum letzten Mal neue Teilnehmer aufgenommen. Voraussetzung ist eine gesicherte Diagnose der schubförmigen Krankheitsform mit oder ohne Basistherapie in den vorangegangenen sechs Monaten. Die Teilnehmer folgen, so das Konzept der Studie, anderthalb Jahre entweder einer stark kohlenhydratreduzierten oder einer vegetarisch betonten Diät oder sie kombinieren Heilfasten mit Intervallfasten.
Wir erfassen unter anderem die Schubrate und körperliche Beeinträchtigungen, aber auch Entzündungsmarker im Blut und die Zusammensetzung der Darmflora, um die Wirksamkeit der einzelnen Ernährungsformen überprüfen zu können
, sagt Dr. Anja Mähler. Die Ernährungswissenschaftlerin ist Mitglied im Leitungsteam der Studie. Ärzte der Charité kontrollieren darüber hinaus alle neun Monate anhand von MRT-Aufnahmen, ob neue Entzündungsherde im Gehirn entstanden sind.
Auch wenn die Studie den Teilnehmern einiges abverlangt: Sie ist bei MS-Patienten sehr beliebt
, berichtet Mähler. Die Teilnehmer seien hoch motiviert, schätzten die regelmäßigen Untersuchungen, den Austausch in der Gruppe und die ernährungstherapeutische Begleitung. Die Abbruchquote sei entsprechend gering, in der Fastengruppe liege sie sogar bei Null.
Vegetarisch betont, kohlenhydratreduziert, zeitweiliger Nahrungsverzicht: Dass diese drei Ernährungsformen MS-Symptome lindern können, ließen bereits frühere, kleine Studien vermuten. Anja Mähler: Mit unserem deutlich umfassenderen Forschungsprojekt gehen wir solchen Hinweisen nach.
Eine zentrale Frage ist dabei, wie sich die mutmaßlich antientzündlichen Wirkungen der untersuchten Diäten alltagstauglich nutzen lassen. Dafür hat das Team um Mähler detaillierte Verzehrsempfehlungen ausgearbeitet. Sie entsprechen für die vegetarisch betonte Gruppe mit viel Gemüse, Obst, Nüssen und fettem Seefisch einer eher mediterranen Ernährung, wie sie auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Die Fastengruppe orientiert sich an der Buchinger-Methode – mit Gemüsebrühen und Säften als alleiniger Nahrung in den einwöchigen Fastenperioden, die drei Mal im Verlauf der Studie angesetzt sind. Dazwischen praktizieren die Teilnehmer das Intervallfasten, wobei sie über Nacht insgesamt 14 Stunden lang keine Nahrung zu sich nehmen.
Weltweit erstmals erprobe man in der Studie die Wirkung einer kohlenhydratarmen, sogenannten ketogenen Ernährung auf das Voranschreiten der MS, berichtet Mähler und fügt hinzu: Bisherige kleinere Untersuchungen zeigten bereits, dass die Kostform praktikabel und nicht gesundheitsschädlich ist.
Auch bei Parkinson und Alzheimer lägen ermutigende Ergebnisse vor.
Statt der hierzulande üblichen Kohlenhydratration von rund 300 Gramm sieht die ketogene Diät nur 20 bis 40 Gramm pro Tag vor. Die nötige Nahrungsenergie liefern in der Berliner Studie vor allem fettreiche Lebensmittel wie pflanzliche Öle, ausgewählte Milchprodukte, Nüsse und Avocados. Dadurch steigt der durchschnittliche Fettanteil der täglichen Kost von 30 bis 40 Prozent auf bis zu 80 Prozent. Im Rahmen einer komplexen Reaktionskaskade könnte das, so die Idee, zur Erholung beschädigter Nervenzellen im Gehirn beitragen und typische MS-Symptome lindern.
Die NAMS-Studie ziele keineswegs darauf ab, die medikamentöse Behandlung der MS zu ersetzen, sagt Anja Mähler. Mit einer nachweislich wirksamen Ernährungstherapie stünde jedoch eine nebenwirkungsarme unterstützende Option zur Verfügung.
lb